Roadmaps und Geschäftsmodelle sind wichtige Bausteine auf dem Weg zur Circular Economy
München, 3. Februar 2022
Unter der Überschrift „From Ambition to Action – The Circular Economy Roadmap for Germany and selected deep dives into Circular Business Models” hat sich die Circular Economy Initiative Deutschland (CEID) mit zwei neuen Fachsessions am Veranstaltungsprogramm des World Circular Economy Forums (WCEF) 2022 beteiligt. Im Mittelpunkt der virtuellen Veranstaltungen standen Geschäftsmodelle einer zirkulär organisierten Wirtschaft sowie die Erfahrungsberichte verschiedener europäischer Länder bei der Umsetzung ihrer Strategiepläne (Roadmaps) hinsichtlich der Einführung einer Circular Economy (CE).
Geschäftsmodelle der Zirkulären Wirtschaft
In der Fachsession „Circular Business Models: Overcoming Barriers – Unleashing Potentials“ ging es um die Fragestellung, wie man Barrieren der Kreislaufwirtschaft überwinden und ihre Potenziale freisetzen kann. Die Arbeitsgruppe Zirkuläre Geschäftsmodelle der CEID hatte dazu im November 2021 einen gleichnamigen Bericht veröffentlicht. Die Einführung in die Untersuchungen der Arbeitsgruppe übernahm Erik Hansen (Institute Integrated Quality Design, Johannes-Kepler-Universität Linz), der die Gruppe zusammen mit Patrick Wiedemann (Reverse Logistics GmbH) geleitet hat. Ziel der AG war es, einen wissenschaftlich fundierten Fahrplan für die erfolgreiche Umsetzung von Geschäftspraktiken zur Förderung der Kreislaufwirtschaft (CE) zu entwickeln. Die Arbeitsgruppe hat 22 akteursspezifische zirkuläre Geschäftsmodelle (Circular Business Models, CBM) identifiziert und ihr Zusammenspiel in Business Ökosystemen beschrieben. Darüber hinaus wurden die bestehenden Barrieren für CBMs dargestellt sowie die digitalen und regulatorischen Enabler identifiziert. Die sich daraus ergebenden konkreten Handlungsempfehlungen richten sich an Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, um den Systemwechsel in Richtung einer CE zu beschleunigen.
Von linearen zu zirkulären Geschäftsmodellen
In der anschließenden Diskussion mit Patrick Wiedemann, Christian Schiller (cirplus GmbH) und Stephen Jamieson (SAP), wurden verschiedene Aspekte noch einmal eingehender unter die Lupe genommen. Neben der Rolle und der Verantwortung der Akteure, der Abkehr von produkt-zentrierten hin zu service-orientierten Geschäftsmodellen machte die Diskussion deutlich, dass Kreislaufwirtschaft vor allem einen bereichs- und branchenübergreifenden Willen zur Zusammenarbeit braucht. Es sind Ansätze erforderlich, Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsabläufe neu zu denken und umzusetzen. Gerade die Umsetzung ist eine riesige Herausforderung, weil es noch zu wenig erfolgreiche Anwendungsbeispiele gibt. Zu sehr wird noch immer versucht, bestehende lineare Geschäftsmodelle in ein zirkuläres System zu überführen, statt den kompletten Produktlebenszyklus vor dem Hintergrund der Wiederverwendung, Reparatur, Wiederherstellung / Wiederproduktion und Wiederverwertung neu aufzusetzen. Etablierte Unternehmen stoßen dabei auf zahlreiche Hürden, während junge und Start-up Unternehmen von vornherein die Möglichkeit haben, ihre Prozesse und Geschäftsmodelle zirkulär zu entwickeln und anzulegen.
Digitalisierung, Kooperation und Mind Set der Akteure sind Voraussetzungen für den Erfolg
Alle Teilnehmer waren sich einig, dass entlang der gesamten zirkulären Wertschöpfungskette noch viel stärker Akteure zusammengebracht werden müssen, um Vorteile hervorzuheben und auch Schwachpunkte wie mögliche Rebound Effekte weiter zu untersuchen. Es gibt viele offene Fragen, angefangen von Material-, über Finanzierungsfragen bis hin zu regulatorischen Themen, die nur gemeinsam beantwortet werden können. Einvernehmen herrscht bei der Digitalisierung. Sie ist Voraussetzung für eine transparente Kreislaufführung, in der Abläufe und Lieferketten nachvollzogen, Produktdaten vollständig erfasst und sogenannte Produktpässe erstellt werden können. Neben den technologischen Entwicklungen ist nicht zuletzt die Einstellung, das Mind Set der Akteure zur Circular Economy zentral. In Unternehmen und bei den Handelnden braucht es Verständnis und die Bereitschaft, Verantwortung für den kompletten Lebenszyklus ihrer Produkte und Dienstleistungen auf Basis erweiterter EPR-Prinzipien (Extended Producer Responsibility) zu übernehmen. Nur dann wird der gewünschte Transformationsprozess in Industrien und in der Gesellschaft angestoßen und kann sich verfestigen.
Circular Economy Roadmaps
Die zweite Online-Veranstaltung unter der Überschrift „Roadmaps towards Circularity– Experiences from the Netherlands, the Nordics and Germany“ stand im Zeichen verschiedener nationaler Roadmaps und Umsetzungsstrategien der Circular Economy. Neben Deutschland galt der Blick vor allem den Niederlanden und den skandinavischen Ländern, die auf dem Weg in eine Kreislaufwirtschaft schon weiter sind. Susanne Kadner als Leiterin der Geschäftsstelle CEID eröffnete die Veranstaltung mit der Vorstellung der Circular Economy Roadmap für Deutschland und erläuterte die Potenziale unterschiedlicher zirkulärer Maßnahmen für Treibhausgas- und Ressourceneinsparungen. Darüber hinaus stellte sie die zehn Handlungsschwerpunkte für den Übergang zu einer Circular Economy vor, die aus der zweijährigen Arbeit der CEID-Arbeitsgruppen abgeleitet wurden. Dazu zählen die Umsetzung zirkulärer Geschäftsmodelle, die Entwicklung von Standards, größere Transparenz durch den Einsatz digitaler Technologien, sowie regulatorische Anpassungen und ökonomische Anreize. Zudem spielt die Entwicklung entsprechender Bildungs- und Weiterbildungsangebote für den Erfolg einer Circular Economy eine wesentliche Rolle.
Vielfältige Ansätze bei der Umsetzung der Roadmaps
Dass es ein größeres globales Bewusstsein für das Thema Kreislaufwirtschaft braucht und Akteurinnen und Akteure noch stärker in den Wissensaustausch gehen sollten, ließ auch die anschließende Diskussion erkennen. Die Gäste Cathrine Barth (Nordic Circular Hotspot), Freek van Eijk (Holland Circular Hotspot) und Michael Kuhndt (Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP)) machten die europäische und auch globale Dimension des Themas sichtbar.
Die Niederlande gehört heute zu den Vorreitern beim Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft. Die holländische Regierung und die Wirtschaft haben nach Abschluss des Klimaabkommens von Paris 2015 die Initiative ergriffen, um durch ein zirkuläres Wirtschaftsmodel Emissionen zu reduzieren und Klimaziele erreichen zu können. Politik und Wirtschaft wählten einen pragmatischen Ansatz, bei dem der Aufbau einer Kreislaufwirtschaft als Ziel klar ist, ohne zu wissen, wie es im Detail erreicht werden kann. Man brachte die Akteure top-down und bottum-up zusammen und die Regierung unterstützte von Anfang an insbesondere die Unternehmen, die Circular Economy-Ansätze bereits in ihrer Geschäftsentwicklung berücksichtigt haben. Motivation und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit waren auf vielen Ebenen gegeben, so dass alle Akteure schnell und viel über CE gelernt haben. Norwegen und seine Nachbarländer haben sehr aufmerksam verfolgt, was in den Niederlanden passiert und früh den grenzüberschreitenden Informationsaustausch gesucht. Man hat sich vom Vorgehen in den Niederlanden inspirieren lassen, das vorhandene Wissen gerne als Blaupause aufgegriffen und mit den Gegebenheiten in den skandinavischen Ländern (Norwegen, Finnland, Schweden, Dänemark und Island) abgeglichen. Daraus sind Ansätze entstanden, die – im Vergleich zur Herangehensweise der Circular Economy Roadmap für Deutschland – weniger auf ein Gesamtsystem Kreislaufwirtschaft abheben, sondern die Rahmenbedingungen und CE-Anforderungen einzelner, wichtiger Industriezweige und Branchen in den Mittelpunkt gestellt haben. Gleichzeitig wurde in der Diskussion unterstrichen, dass der systemische Ansatz der deutschen CE Roadmap die übergeordneten Handlungsfelder für den Übergang in die Circular Economy deutlich benenne und damit einen klaren Überblick zur Gestaltung der Transformation gebe. Die verschiedenen nationalen Aktivitäten, aber auch länderübergreifender Initiativen verdeutlichen, dass eine umfassende Zusammenarbeit auf unterschiedlichen Ebenen der Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft essenziell ist.
Circular Economy beginnt mit vertrauensbildenden Maßnahmen
Gegenseitiges Vertrauen ist die Voraussetzung, dass die Zusammenarbeit auch fruchtbar ist, vor allem in den Bereichen, in denen Wettbewerbsfragen und Kernbereiche von Geschäftsmodellen berührt werden. Sich Zeit für vertrauensbildende Maßnahmen zu nehmen, um Kooperation zu ermöglichen, ist eine Erkenntnis, die alle unterstreichen.
Eine weitere Erkenntnis ist, dass nicht nur Wissen zu CE angehäuft und ausgetauscht wird, sondern dass vor allem die Konsumenten breit und faktenbasiert über die Möglichkeiten der Kreislaufwirtschaft informiert werden müssen. Auch Lehrpläne und Bildungsangebote müssen an die Anforderungen zirkulärer Modelle angepasst werden. Noch immer basieren viele regulatorischen Vorgaben und Rechtsrahmen auf linearen Wirtschaftsmodellen, die sich bei der Einführung eines zirkulären Systems als hinderlich erweisen.
In der linearen Wirtschaft sind Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten, Haftungsfragen klar definiert und begrenzt. Diese Grenzen passen nicht mehr zu einem zirkulären System, in dem Produkte ganzheitlich von der Konzeption bis zum Lebensende gedacht und auch verantwortet werden müssen. Der Anfang ist gemacht, aber es muss noch viel mehr Dynamik in den Umsetzungsprozess kommen. Hier könnten lokale und regionale Initiativen vorangehen. Für Deutschland wünscht man sich, dass die neue Regierung, die im Koalitionsvertrag verankerten Bekenntnisse zum Thema Circular Economy ambitioniert umsetzt.
Veranstaltungsvideos:
Circular Business Models: Overcoming Barriers – Unleashing Potentials
Roadmaps towards Circularity – Experiences from the Netherlands, the Nordics and Germany