Satelliten im Orbit – Forschungsassistenten, Alltagshelfer oder Weltraumschrott?
München, 18. März 2024
Bereits heute haben Technologien aus dem Raumfahrtsektor großen Einfluss auf unseren Alltag. Ohne Kommunikations-, Navigations- und Erdbeobachtungssatelliten wäre der gewohnte Komfort nicht möglich. Sie helfen bei der Erforschung unseres Sonnensystems und globalen Klimaveränderungen. Das erhöhte Verkehrsaufkommen im Orbit wird jedoch zunehmend zur Herausforderung. Wie damit umgegangen werden kann, darüber diskutierten Expertinnen und Experten bei acatech am Dienstag am 5. März im acatech Forum in München.
acatech Präsident Jan Wörner sprach in seinem Einführungsimpuls über die große geopolitische Bedeutung der Raumfahrt und ihren Beitrag zur Bewältigung globaler Herausforderungen – wie zum Beispiel dem Klimawandel: rund 50 Prozent der vielfältigen Umweltdaten könnten nur aus dem Weltraum durch Satellitenbeobachtung gewonnen werden, so Jan Wörner. Diese können helfen, neue Erkenntnisse über die Auswirkungen des Klimawandels auf die unterschiedlichsten globalen Ökosysteme zu gewinnen. Der Bedarf an solchen Umweltdaten, Kommunikations- und Navigationsdienstleistungen ist inzwischen so enorm, dass sich zunehmend auch private Unternehmen für dieses Geschäftsfeld interessieren.
Auch Airbus, in erster Linie bekannt für seine Flugzeuge, stellt Raumsonden, Navigations-, Telekommunikations- und Erdbeobachtungssatelliten her, wie Francois Lombard, Airbus Defence and Space, in seinem Beitrag berichtete. Außerdem bietet Airbus Dienstleistungen im Bereich der Satellitenkommunikation und der Erdbeobachtung an. Eine Erdbeobachtungsanwendung von Airbus ist der „Starling Service“: eine Geodatenlösung, die nachhaltige Entwicklungen fördert, indem Veränderungen der Waldbedeckung anhand optischer Daten überwacht werden. Für die Messungen sind kostenintensiv entwickelte Satelliten zuständig. Im Falle einer Beschädigung oder eines Funktionsverlusts infolge einer Kollision mit Weltraumschrott gehen einerseits die angeboten Servicedienste verloren, andererseits entsteht durch den notwenigen Ersatz auch ein hoher wirtschaftlicher Schaden für das Unternehmen.
Lösungen zum Umgang mit Weltraumschrott
Alte Satelliten, verlorene Werkzeuge, kleinste Metallteilchen – die Menge und Vielfalt an Weltraummüll, der die Erde umkreist, ist riesig. Mit immenser Geschwindigkeit von mehreren zehntausend Kilometern pro Stunde können schon Bruchstücke im Zentimeterbereich großen Schaden an Satelliten und Raumstationen anrichten. Dadurch würden Ausweichmanöver immer häufiger nötig, teils mit nur sehr kurzer Vorwarnzeit, berichtete Chiara Manfletti. Sie leitet den Lehrstuhl für Raumfahrtantriebe und Mobilität an der Technischen Universität München und ist CEO bei Neuraspace, einem Start-Up, das an Lösungen zur Kollisionsvermeidung im Weltraum arbeitet, indem manuelle Eingriffe zur Kurskorrektur reduziert werden sollen. Nachhaltigkeit spielt daher auch im Orbit eine Rolle. Der stetig anwachsende Weltraumverkehr benötige skalierbare Methoden, um risikoärmer navigieren zu können, so Chiara Manfletti. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen versucht ihr Unternehmen, derartige Methoden zu entwickeln und entsprechende Angebote zur Verfügung zu stellen.
Franziska Knur, Deutsche Raumfahrtagentur im DLR, ist Mitglied in der deutschen Delegation zum UN-Weltraumausschuss. Nach wie vor, so erklärte die Forscherin in ihrem Beitrag, gelte der Weltraumvertrag aus dem Jahr 1967. Er habe zwar bis heute nichts an Relevanz verloren, müsse aber fit für die Zukunft gemacht werden, damit Raumfahrt langfristig nachhaltig und zum Wohle aller betrieben werden könne. Ein internationales Weltraumverkehrsmanagement, das langfristig die Weltraumfreiheit gewährleisten kann, könne eine solche Weiterentwicklung darstellen, so Franziska Knur.
Im anschließenden Podiumsgespräch, moderiert von Jeanne Rubner, Technische Universität München, diskutierte die Runde die Möglichkeit nationaler wie internationaler Vereinbarungen zum Umgang mit Satelliten nach deren Nutzungsdauer. Ein Vorschlag: Sobald ein Satellit zum Absturz gebracht werden muss, müsse vom Betreiber auch ein Dienstleister für die Entsorgung beauftragt werden – alternativ könne ein Pfand bis zur tatsächlichen Entsorgung hinterlegt werden. Ein sogenannter Friedhofsorbit, da waren sich die Diskutierenden einig, könne nicht die Lösung sein. Auch im erdnahen Teil des Weltalls sei der nutzbare Platz eben begrenzt.