Akademien raten Europäischer Kommission: Verbraucherinnen und Verbraucher sollten nicht die Alleinverantwortlichen für den Wandel hin zu einer nachhaltigen Ernährung sein
Brüssel, 28. Juni 2023
Eine Arbeitsgruppe renommierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die von den europäischen Akademien im Rahmen des wissenschaftlichen Beratungsmechanismus der Europäischen Kommission nominiert wurden, haben der EU-Kommission dargelegt, wie die Ernährung in Europa gesünder und nachhaltiger werden kann.
Die heute veröffentlichten Publikationen gehen auf eine Anfrage des Kollegiums der Kommissarinnen und Kommissare zurück und fließen in die Überarbeitung der „Farm-to-Fork“-Strategie der Europäischen Kommission ein und befassen sich mit wichtigen politischen Handlungsfeldern wie Preisgestaltung, Verfügbarkeit, Zusammensetzung von Lebensmitteln und dem gesellschaftlichen Kontext, die die Ernährung beeinflussen sowie mit Aspekten der Digitalisierung.
SAPEA ist Teil des wissenschaftlichen Beratungsmechanismus. SAPEA ist ein Konsortium von Akademienetzwerken, dem über hundert Wissenschaftsakademien, junge Akademien und Gelehrtengesellschaften angehören. „Wir haben interdisziplinäres Fachwissen gebündelt, um einen umfassenden Bericht über nachhaltige Ernährung zu erstellen“, sagt Professor Antonio Loprieno, Vorsitzender des SAPEA Vorstands. „Dieser Ansatz ist einzigartig in Europa, und wir sind stolz darauf, der Europäischen Kommission diese Erkenntnisse vorlegen zu können.“
Das gegenwärtige Lebensmittelsystem in Europa hat zum einen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt. Zum anderen ist eine ungesunde Ernährung mit dem Risko von Krankheiten, Fettleibigkeit und Übergewicht verbunden. Davon sind nachweislich etwa 60 Prozent der Erwachsenen und 30 Prozent der Kinder in Europa betroffen. Die Expertinnen und Experten raten, Verbraucherinnen und Verbraucher zu entlasten und zu unterstützen und nachhaltige und gesunde Lebensmittel einfacher verfügbar und erschwinglich zu machen.
Professor Erik Mathijs, Vorsitzender der SAPEA Arbeitsgruppe, welche die wissenschaftlichen Erkenntnisse ausgewertet hat, erklärte: „Politischen Maßnahmen sollten sich auf das gesamte Lebensmittelumfeld beziehen, d. h. auf alle Orte, an denen Lebensmittel erworben, gegessen und thematisieret werden, wie z. B. Geschäfte, Restaurants, Wohnungen, Schulen und Arbeitsplätze, und zudem zunehmend in digitalen Medien. Aufgrund dieser Komplexität sei es von entscheidender Bedeutung, sich bei der Entscheidungsfindung an wissenschaftlichen Erkenntnissen zu orientieren, fügte er hinzu.
Auf Grundlage dieser Erkenntnisse empfiehlt die Gruppe der wissenschaftlichen Chefberaterinnen und -berater der Europäischen Kommission im Rahmen des wissenschaftlichen Beratungsmechanismus eine Reihe von evidenzbasierten Maßnahmen zur Förderung einer gesunden und nachhaltigen Ernährung, darunter:
- Preisgestaltung: Es gibt eindeutige Beweise dafür, dass gezielte Maßnahmen wirksam sind. Dazu gehören Steuern auf Zucker, Steuern auf Fleisch sowie eine Preisgestaltung von Produkten nach ihren Umweltauswirkungen also auch niedrigere Steuern auf gesunde und nachhaltige Alternativen.
- Verfügbarkeit und Sichtbarkeit: Gesunde und nachhaltige Lebensmittel werden häufiger gewählt, wenn sie an gut sichtbaren Stellen angeboten werden. Die Werbung für Lebensmittel, die bei regelmäßigem Verzehr ungesund oder nicht nachhaltig sind, sollte eingeschränkt werden. Freiwillige Verhaltenskodizes in diesem Bereich haben sich nicht bewährt.
- Zusammensetzung: Die Reduzierung des Gehalts an ungesundem Fett, Zucker und Salz und ein zusätzliches Angebot von mehr pflanzlichen Alternativen kann hilfreich sein – aber nur, wenn diese Maßnahmen verbindlich und umfassend sind. Es hat sich gezeigt, dass freiwillige Vereinbarungen in der Vergangenheit nur begrenzt wirksam waren.
Es wird entscheidend darauf ankommen, ein Umfeld zu schaffen, das es allen Beteiligten ermöglicht, unter Einhaltung fairer Regeln, auf das Ziel gesunder und nachhaltiger Lebensmittel und Ernährung hinzuarbeiten. Dieser Ansatz könnte auch dazu beitragen, den Widerstand derjenigen zu überwinden, die vom bestehenden System profitieren, einschließlich manch großer einflussreicher privatwirtschaftlicher Organisationen, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Es gilt der Originaltext der englischen Pressemitteilung.
Hintergrund
Der wissenschaftliche Beratungsmechanismus
Der wissenschaftliche Beratungsmechanismus der Europäischen Kommission bietet dem Kollegium der europäischen Kommissarinnen und Kommissare auf Anfrage unabhängige Beratung für die politische Entscheidungsfindung. Zu diesem Thema wurde von SAPEA eine Arbeitsgruppe mit führenden Expertinnen und Experten Europas einberufen. Der erarbeitete Evidenzbericht fasst den aktuellen Wissensstand zu Lebensmittelsystemen, nachhaltiger und gesunder Ernährung und Verbraucherverhalten zusammen, interdisziplinär und mit Beiträgen aus Wissenschaft und Praxis. Auf dieser Grundlage veröffentlichte die Gruppe der wissenschaftlichen Chefberaterinnen und -berater ihre politischen Empfehlungen zur Beseitigung von Hindernissen und zur Erleichterung einer nachhaltigen und gesunden Ernährung für die Verbraucher.
SAPEA (Science Advice for Policy by European Academies)
SAPEA ist ein Konsortium von Akademienetzwerken. In diesen Netzwerken wird herausragendes Fachwissen aus den Bereichen Natur-, Ingenieur- und Technikwissenschaften, Medizin, Gesundheits-, Agrar- und Sozialwissenschaften sowie den Geisteswissenschaften zusammengeführt. SAPEA stützt sich auf über hundert Wissenschaftsakademien, junge Akademien und Gelehrtengesellschaften in mehr als 40 Ländern in ganz Europa. www.sapea.info/food-consumption/
SAPEA wird von der Europäischen Union gefördert. Die Aktivitäten der assoziierten Partner Academia Europaea und Cardiff University werden von UK Research & Innovation (Fördernummer 10033786) gefördert.
Die Gruppe der wissenschaftlichen Chefberaterinnen und -berater
Die Beraterinnen und Berater tragen zur Qualität der EU-Gesetzgebung bei, indem sie der Europäischen Kommission unabhängige wissenschaftliche Beratung bieten. Dabei handelt es sich um sieben herausragende, persönlich ernannte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die die Kommissarinnen und Kommissare in Fragen von öffentlichem Interesse beraten. Die Beraterinnen und Berater arbeiten eng mit dem SAPEA-Konsortium (Scientific Advice for Policy by European Academies) zusammen.
Weiterführende Informationen
Wissenschaftlicher Beratungsmechanismus der Europäischen Kommission