Vorhandenes Wissen nutzen – Austausch zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft
München, 26. November 2019
Am 3. Dezember 2019 erscheint die dritte Ausgabe der Publikationsreihe acatech HORIZONTE zum Thema „Nachhaltige Landwirtschaft“! Lesen Sie jetzt bereits eine Woche vor der offiziellen Veröffentlichung exklusiv das Kapitel zum Thema „Vorhandenes Wissen nutzen: Austausch zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft“. Die gesamte Publikation wird ab dem 3.12. unter diesem Link zum Download zur Verfügung stehen.
Um die Landwirtschaft erfolgreich nachhaltiger zu gestalten, muss das Rad nicht immer neu erfunden werden. Bereits heute gibt es einen Austausch zwischen der konventionellen und der ökologischen Landwirtschaft, von dem beide Seiten profitieren. So finden regelmäßig fachliche Veranstaltungen statt, auf denen grundsätzliche und übergreifende Probleme diskutiert werden. Zu Themen wie beispielsweise Fruchtfolgegestaltung, Bodenbearbeitung, Düngetechnik oder Vermarktung treffen sich regelmäßig konventionelle und ökologisch wirtschaftende Landwirtinnen und Landwirte zum Austausch. Die Berührungsängste zwischen beiden Gruppen, die es in den achtziger und neunziger Jahren gab, sind fast verschwunden. Gegenseitiger Respekt ist inzwischen die Regel.
Wer lernt voneinander was?
Mit dem Übergang des Öko-Landbaus von der Marktnische zu einem veritablen Marktsegment geht eine „Konventionalisierung“ desselben einher. Der Marktdruck steigt, der Wettbewerb wird härter: Die Betriebe werden größer und nach Effizienzkriterien gemanagt. Der Trend geht in Richtung Spezialisierung und Vereinfachung. Das hat auch negative Effekte, ist aber manchmal für das Bestehen am Markt erforderlich.
Dabei profitiert auch der Öko-Landbau von technischen Entwicklungen bei der Bodenbearbeitung, Aussaat, Pflege, Ernte- und Transporttechnik. Diese Maschinen kommen inzwischen sowohl in der Öko-Landwirtschaft als auch in der konventionellen Landwirtschaft zum Einsatz. Analog gilt dies für die Tierhaltung.
Solange Systeme negativ gegenübergestellt werden, kommt man nicht zu den modernsten Methoden.
Andererseits zeigt der Öko-Landbau dem konventionellen Landbau Möglichkeiten des nachhaltigeren Wirtschaftens auf. So sparen mechanische und biologische Methoden der Schädlings- und Unkrautbekämpfung den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzwirkstoffen. Das kann sich auch in der konventionellen Landwirtschaft rechnen, solange die Erträge dadurch nicht zu stark sinken.
Chancen durch den ökologischen Landbau in ärmeren Regionen
In vielen Regionen der Erde wird lediglich Subsistenzlandwirtschaft betrieben, also Landwirtschaft zum Zwecke der Selbstversorgung. Die Landwirtschaft dort in Richtung ökologischer Landwirtschaft zu entwickeln, würde die Produktivität nachhaltig steigern. Unter anderem ließe sich durch die verstärkte Nutzung von lokalen, natürlichen Prozessen die Abhängigkeit von Betriebsmitteln reduzieren. [1]
Die Wiederentdeckung von erweiterten Fruchtfolgen und regional angepassten Bewirtschaftungsformen
Eine Möglichkeit des Bodenschutzes und zur Verbesserung der Pflanzenresilienz bieten alte klassische Methoden wie erweiterte Fruchtfolgen. In der konventionellen Landwirtschaft bestehen Fruchtfolgen typischerweise nur aus zwei bis drei Früchten. Im Öko-Landbau stehen teilweise fünf bis sieben Kulturarten in einer Fruchtfolge. Inzwischen nutzen auch konventionelle Betriebe verstärkt die Erkenntnisse über die Fruchtfolgegestaltung aus der ökologischen Landwirtschaft. Denn erweiterte Fruchtfolgen sind aus Gründen der Krankheitsbekämpfung und der Bodenfruchtbarkeit sinnvoll. Allerdings wurden sie in der konventionellen Landwirtschaft teilweise vernachlässigt, da jede Fruchtart ein spezifisches Know-how und teilweise erweiterte Technik erfordert. Zudem findet nicht jede Fruchtart auch einen Markt.
Bei der Rückkehr zu mehr ökologisch orientierten Methoden und im Zuge der Klimaveränderung spielen für die konventionelle Landwirtschaft auch regional angepasste Bewirtschaftungsformen wie die sogenannte Agroforstwirtschaft eine Rolle, die bisher ein Nischendasein führt. Bäume oder Sträucher werden dabei mit Ackerkulturen und / oder Tierhaltung kombiniert. [2] Kulturen und Gehölze sollen sich wechselseitig positiv beeinflussen. So können Bäume den Boden vor Wind schützen. Eine Hürde ist hier jedoch die Trennung der Förderung von Forst- und Landwirtschaft.
Inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit
Wissensaustausch findet nicht nur zwischen der konventionellen und ökologischen Landwirtschaft statt, sondern auch zwischen Landwirtschaft und Forschung. In diesem sogenannten transdisziplinären Ansatz kommen die Forschungsfragen direkt aus den landwirtschaftlichen Betrieben, was der Forschung hilft, die relevanten Probleme zu identifizieren. Die Landwirtschaft profitiert von guten Lösungen aus diesem Prozess.
Um bei den komplexen Zusammenhängen der Landwirtschaft gemeinsam und strukturiert gute Lösungen zu erreichen, braucht es das Zusammenspiel unterschiedlicher Disziplinen wie Pflanzenzüchtung oder Maschinenbau. Den Vorgang, fachübergreifend komplexe Systeme zu entwickeln, nennen ingenieurwissenschaftliche Disziplinen „Systems Engineering“.
Warum nicht nur ökologischer Landbau?
Ein gepflegtes Vorurteil der Bevölkerung ist, dass ökologisch erwirtschaftete Produkte per se nachhaltig sind und konventionell erwirtschaftete per se nicht nachhaltig. Dieses Argument stimmt so pauschal nicht. Bei ökologischer Wirtschaftsweise fallen die Erträge im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft im Durchschnitt um circa 20 bis 25 Prozent geringer aus. [3-5] Auf sehr fruchtbaren Standorten sind teilweise noch deutlich größere Ertragsdifferenzen zu beobachten. Würden wir, bei Beibehaltung unserer derzeitigen Konsumgewohnheiten, gänzlich auf ökologischen Landbau umstellen, so entstünde, übertragen auf die gesamte Welt, auf Dauer ein wirkliches Versorgungs- und nicht nur ein Einkommens- und Verteilungsproblem. Das ist gesellschaftlich genauso wenig akzeptiert wie die weitere Abholzung von Wäldern oder die Entwässerung von Mooren zur Gewinnung von Ackerflächen.
Erweiterte Fruchtfolgen und Zwischenfrüchte als Stellschrauben müssen wieder in den Kreislauf integriert werden.
Eine realistische und sinnvolle Entwicklung wäre es, die umweltrelevanten Vorteile ökologischer und konventioneller Landwirtschaft zusammenzuführen und sie zu einer nachhaltigen Landwirtschaft weiterzuentwickeln. Diese Weiterentwicklung muss über wissenschaftlich abgesicherte Nachhaltigkeitsindikatoren mess- , sicht- und steuerbar werden.
[1] El-Hage Scialabba, N. und Hattam, C. (Hrsg.) (2002): Organic
agriculture, environment and food security. Environment and
Natural Resources Series No. 4, Food and Agriculture Organization of the United Nations, Rom.
[2] Nair, P. (1993): An introduction to agroforestry. Kluwer Academic Publishers in cooperation with International Centre for Research in Agroforestry, Dordrecht
[3] De Ponti, T.; Rijk, B. und van Ittersum, M. (2012): The crop yield gap between organic and conventional agriculture. Agricultural Systems, 108:1–9.
[4] Ponisio, L.C.; M‘Gonigle, L.K.; Mace, K.C.; Palomino, J.; de Valpine, P. und Kremen, C. (2015): Diversification practices reduce organic to conventional yield gap. Proceedings of the Royal Society B. Biological Sciences, 282(1799).
[5] Seufert, V.; Ramankutty, N. und Foley, J.A. (2012): Comparing the yields of organic and conventional agriculture. Nature, 485:229–232.