acatech am Dienstag: Was ist Wissenschaft?
München, 12. Februar 2021
In Corona-Zeiten sind viele Menschen von Fake-News und Verschwörungstheorien irritiert. Die Wissenschaft, sollte uns im Zeitalter von Pandemien und Umweltkrisen Orientierung geben. „Was ist Wissenschaft?“, fragte deshalb acatech am Dienstag zusammen mit vhs.wissen-live am 9. Februar. acatech Mitglied Klaus Mainzer, Technische Universität München, erklärte in seinem Vortrag mit welchen Methoden die Wissenschaft arbeitet und zeigte sowohl die Möglichkeiten als auch die Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnis auf.
Zum Vortrag von Professor Mainzer:
Klaus Mainzer arbeitet als Wissenschaftsphilosoph über Grundlagen und Zukunftsperspektiven von Wissenschaft und Technik. Im Zentrum stehen dabei die Mathematisierung und Computermodellierung von Wissenschaft und Technik. Er ist Autor zahlreicher Fachbücher mit internationalen Übersetzungen. Klaus Mainzer war Professor für Wissenschafts- und Technikphilosophie an den Universitäten Konstanz, Augsburg und München (TUM). Er war Gründungsdirektor des Munich Center for Technology in Society (MCTS) und ist seit 2016 TUM Emeritus of Excellence.
Veröffentlicht am 16. Februar 2021
Dauer: 1 Stunde 16 Minuten 16 Sekunde
Nach der Begrüßung durch acatech Präsident Dieter Spath, gab Klaus Mainzer, Technische Universität München, den über 600 Gästen zunächst einen Überblick über die Entstehung der heutigen Wissenschaft. Er stellte dafür zunächst bedeutende Forscher und Gelehrte und ihre Entdeckungen vor. Wie zum Beispiel den italienischen Universalgelehrten Galileo Galilei, der als einer der wichtigsten Begründer der neuzeitlichen exakten Naturwissenschaften gilt, den englischen Naturforscher Sir Isaac Newton, der 1687 die mathematischen Grundlagen der Mechanik begründete und James Clerk Maxwell, der mit seinen Maxwellschen Gleichungen die Elektrizitätslehre und den Magnetismus begründete. Anschließend erläuterte Klaus Mainzer fachübergreifende Theorien der Naturwissenschaften, um schließlich auf die Frage einzugehen, wie wissenschaftliche Gesetze entstehen, was Sie leisten und wo ihre Grenzen sind.
Wissenschaft ist ein lernendes System!
Klaus Mainzer, Technische Universität München
Am Beispiel des Bayesschen Lernens, demzufolge sich statistisches Lernen aus Daten auf die Berechnung bedingter Wahrscheinlichkeiten zurückführen lässt, zeigte Klaus Mainzer, wie wissenschaftliche Hypothesen von Daten abhängen. Big Data und komplexe Datenanalyse waren weitere Themen, bevor Klaus Mainzer darauf einging, wie Künstliche Intelligenz die Wissenschaft verändert. An dieser Stelle betonte er, dass die heutige Künstliche Intelligenz weitestgehend durch das „Machine Learning“ bestimmt ist. Machine Learning arbeitet wesentlich mit neuronalen Netzen und Lernalgorithmen nach dem Vorbild des Menschen. Machine Learning machte es unter anderem auch möglich das Higgs Teilchen zu entdecken und damit eine Erklärung, warum es Masse im Universum gibt. Auch Proteinstrukturen von Viren (zum Beispiel SARS-CoV-2) können durch Machine Learning untersucht werden. Proteinstrukturen enthalten Stellen, an denen neue Medikamente andocken können, um COVID-19 zu bekämpfen.
Klaus Mainzer beendete seinen Vortrag mit einem Plädoyer für nachhaltige Wissenschaft und Forschung: Die Corona-Krise zeige, sagte er, dass das gründliche Verstehen – von beispielsweise epidemischen Modellen und molekularen Strukturen – unverzichtbar sei und ein Grundlagenverständnis die Voraussetzung wissenschaftlich basierter Urteile sei. Das Grundlagenverständnis für Wissenschaft müsse bereits in der Schule geweckt werden. Standards und Normen seriöser Forschung müssten auch unter Druck gewahrt werden und zahlten sich letztlich aus. Weiter sagte er, dass es eines neuen Stils von Debattenkultur bedürfe, in der die entscheidende Rolle von Wissenschaft im 21. Jahrhundert in der Öffentlichkeit verstanden und in die politische Urteilsfindung angemessen eingebunden werde.
Die anschließende Fragerunde wurde von Christof Schulz und Claus Lüdenbach, Initiatoren der erfolgreichen Veranstaltungsreihe „vhs.wissen-live“, moderiert. Das Programm „vhs.wissen live“ ist ein Gemeinschaftsprojekt zahlreicher Volkshochschulen in ganz Deutschland, das es möglich macht, hochkarätige Live-Vorträge von renommierten Persönlichkeiten aus den Bereichen Gesellschaft, Politik und Wissenschaft als Livestream zu verfolgen. Im Anschluss an die Vorträge nehmen sich die Rednerinnen und Redner Zeit, Fragen der Teilnehmenden zu beantworten. Neben acatech sind auch die Max-Planck-Gesellschaft, das Goethe-Institut und die Süddeutsche Zeitung Kooperationspartner dieser bundesweiten Reihe. Ausgewählte Vorträge der vergangenen Jahre sind seit Kurzem in einer Mediathek als Videoaufzeichnung verfügbar oder können als Podcast bei Spotify angehört werden.
Weiterführende Literatur:
Klaus Mainzer: „Leben als Maschine: Wie entschlüsseln wir den Corona-Kode? Von der Systembiologie und Bioinformatik zu Robotik und Künstlicher Intelligenz“, Verlag: mentis.