Wie kommt das Neue in die Welt? acatech-Präsident Dieter Spath im Deutschen Museum
München, 24. September 2019
Wie entstehen Innovationen? Was ist eine Innovation? Und welche Arten werden unterschieden? acatech Präsident Dieter Spath beantwortete diese Fragen am 18. September in der Reihe „Wissenschaft für jedermann“ im Deutschen Museum. Der Vortrag unter dem Motto „mp3, Industrie 4.0, 5G – Wie kommt das Neue in die Welt“ beleuchtete die Voraussetzungen für Innovationen und deren Entstehung sowie die Rolle der Deutschen in diesem Prozess.
Von der inkrementellen bis zur disruptiven Innovation
Die Wissenschaft unterscheidet vier Arten von Innovation: Die inkrementelle Innovation verbessert bestehende Technik in kleinen Schritten. Sie kommt vor allem zur Anwendung, wenn Produkte immer weiter verbessert werden, um aus Wettbewerbsgründen am Markt bestehen zu können, erläutert Dieter Spath, acatech-Präsident und Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswissenschaft und Organisation IAO und des Instituts für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement (IAT) an der Universität Stuttgart. Die bedürfnisinduzierte Innovation fördert beispielsweise neue Geschäftsmodelle für bereits bekannte Technologien. Die technologieinduzierte Innovation findet neue Lösungen für bekannte Bedürfnisse. Die radikalste Form ist die disruptive Innovation: Sie kommt mit neuen Technologien neuen Kundenbedürfnissen entgegen.
Dieter Spath ging ausführlich auf das Beispiel mp3 ein. Das Ziel dieser Entwicklung sei es gewesen, das Abspielgerät zu verkleinern; damit handele es sich um eine technologieinduzierte Innovation. In der Folge wurden neuen Abspielgeräte mit völlig neuen Funktionen, zum Beispiel eine Drehscheibe für das Auswahlverfahren, oder Musikverwaltungsprogramme entwickelt. Man konnte nun seine Plattensammlung in der Hosentasche mitführen. Dieter Spath selbst erfreute sich damals erstmalig daran, während dem Autofahren zwischen verschiedenen Tannhäuser-Interpretationen wechseln zu können. Da er von diesem Bedürfnis zuvor noch gar nichts wusste, handle es sich bei diesen Folgetechnologien um disruptive Innovationen.
Dabei müssen Produkt und Produktion immer parallel beobachtet und entwickelt werden, wie das Beispiel der OLEDs zeigt: Mit der Entwicklung der organischen Leuchtdioden (OLED) waren nicht nur biegsame Displays möglich, sondern diese konnte von der Rolle weg produziert werden.
Die Rolle der Deutschen – Innovationskraft und Wertschöpfung
Die Schlüsseltechnologien, wie Nanotechnologie und Photonik, sind ebenso Innovationstreiber wie die Künstliche Intelligenz. Auch die digitale Transformation verstärkt Innovationen durch neue Ansätze. Die Deutsche Forschung und Entwicklung ist hier gut aufgestellt. Im weltweiten Vergleich im sogenannten Innovationsindikator belegt Deutschland den vierten Platz hinter Singapur, der Schweiz und Belgien. Laut Dieter Spath haben es größere Länder tendenziell schwerer mit einer guten Platzierung, weil hier die Innovationsleistung in Relation zur Gesamtbevölkerung gesetzt wird. Das Ergebnis spiegelt also die hohe deutsche Innovationskraft wider. Bei der Wertschöpfung dagegen rutscht Deutschland ab. Das heißt die deutschen Unternehmen müssten bessere Geschäftsmodelle entwickeln, um bei den Kunden auch den Wert umzusetzen, den sie leisten.
In der anschließenden Publikumsdiskussion wurde unter anderem die deutsche Unternehmenskultur beleuchtet und die Frage gestellt, ob zahlengetriebene Quartalsberichte Innovationen nicht eigentlich hemmen. Deshalb sieht Dieter Spath auch den Mittelstand gefordert, weil Investitionen in Innovationsentwicklung besser abzubilden seien als bei DAX-Unternehmen. Eine Innovationskultur benötige weniger Hierarchie, Mut zum Fehler, Offenheit und kreative Entfaltungsmöglichkeiten.