POSITION und STUDIE: Partitionierung und Transmutation nuklearer Abfälle
Berlin, 28. August 2014
Im Juni 2011 hat die Bundesregierung beschlossen, dass bis 2022 kein deutsches Kernkraftwerk mehr Strom produzieren soll. Die Endlagerung der bis dahin anfallenden radioaktiven Abfälle ist indes nicht geklärt. Eine Möglichkeit, das Langzeit-Gefährdungspotenzial wärmeentwickelnder Abfälle zu verringern, ist ihre Umwandlung in kurzlebigere Nuklide durch Partitionierung und Transmutation (P&T). acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften erörtert die Perspektiven der P&T in ihren heute erschienenen Publikationen. Eine interdisziplinäre Projektgruppe internationaler Experten untersuchte das Konzept von P&T, analysierte die Chancen und Risiken dieser Technik und gibt nun Handlungsempfehlungen für die Forschung im Bereich P&T.
Hoch radioaktive, wärmeentwickelnde Abfälle machen zwar nur einen geringen Volumenanteil, aber 99 Prozent der gesamten Radioaktivität aller Abfälle aus kerntechnischen Anlagen aus. Die Technik der Partitionierung und Transmutation wandelt einen Teil der hoch radioaktiven, langlebigen Stoffe in kurzlebigere Spaltprodukte um. Zunächst wird bei der Partitionierung das Nuklidgemisch der Brennstoffe in die verschiedenen Nuklide aufgetrennt: in Uran, das im Reaktor nicht gespalten wurde, in Plutonium und in die minoren Aktiniden (Neptunium, Americium und Curium). Das abgetrennte Uran kann entweder in noch aktiven Reaktoren eingesetzt oder als vernachlässigbar wärmeentwickelnder Abfall endgelagert werden. Das abgetrennte Plutonium und die minoren Aktiniden werden in einer Transmutationsanlage mit schnellen Neutronen beschossen und dadurch zu mindestens 90 Prozent in kurzlebigere oder stabile Atomkerne umgewandelt.
Im Rahmen des Projekts hat die Akademie die Chancen und Risiken der P&T abgeschätzt:
- P&T kann zukünftig bei erfolgreicher industrieller Umsetzung das für die Endlagerung vorgesehene Volumen an wärmeentwickelnden Abfällen auf ein Drittel reduzieren (nämlich von 28.000 auf 9.500 Kubikmeter). Gleichzeitig würde sich das Volumen der vernachlässigbar wärmeentwickelnden Abfälle um etwa ein Drittel erhöhen (von ca. 300.000 auf ca. 400.000 Kubikmeter).
- P&T verringert einige Jahrhunderte nach der Einlagerung die Gesamtradioaktivität im Endlager für wärmeentwickelnde, hoch radioaktive Abfälle. Dort befände sich (wenn man von den bereits verglasten wärmeentwickelnden Abfällen absieht) nach 1.000 Jahren ungefähr die gleiche Radioaktivität wie nach einer Million Jahren ohne Anwendung von P&T.
- Das Gefährdungspotenzial von P&T-Anlagen für Mensch und Umwelt ist vergleichbar mit dem von Anlagen zur Wiederaufbereitung und Kernreaktoren der vierten Generation.
- Während ihres Transports zu Transmutationsanlagen könnten Plutonium und die minoren Aktiniden entwendet werden. Andererseits sinkt die Gefahr, dass Plutonium aus dem Endlager entwendet wird, da es zuvor in Transmutationsanlagen größtenteils umgewandelt wurde.
- Der Bau und Betrieb von P&T-Anlagen könnte sich ökonomisch nicht lohnen, da bei der relativ geringen Abfallmenge die Stückkosten pro Tonne Abfall hoch sind.
P&T könnte also eine Möglichkeit sein, das Langzeit-Gefährdungspotenzial wärmeentwickelnder Abfälle zu verringern. Daher kommt acatech zu dem Fazit, dass Forschung zu P&T im europäischen Kontext stattfinden sollte und eine zukünftige Beteiligung Deutschlands an P&T in Europa sollte geprüft werden sollte. Die Forschung sollte sich auf folgende Schlüsselbereiche konzentrieren:
- die effiziente Partitionierung,
- die effiziente Transmutation,
- die sicherheitstechnische Bewertung der Anlagen sowie
- die Bewertung der gesellschaftlichen Implikationen aller Handlungsoptionen.
Die Forschung sollte sich zudem interdisziplinär aufstellen, um Erkenntnisse aus dem wissenschafltich-technischen Bereich bewerten und kommunizieren zu können.
Leiter des acatech Projekts war Ortwin Renn von der Universität Stuttgart; er war 2011 Mitglied der Ethikkommission der Bundesregierung für eine sichere Energieversorgung. Das interdisziplinäre Forschungsprojekt gliederte sich in zwei Teilprojekte: In Modul A (Förderung durch das BMWi, Federführung durch das KIT) waren als Projektpartner DBE TECHNOLOGY GmbH, die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) mbH, das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR), das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen und das Forschungszentrum Jülich (FZJ) beteiligt. Modul B (Förderung durch das BMBF, Federführung durch acatech) wurde vom Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung der Universität Stuttgart (ZIRIUS) bearbeitet. Die Gesamtkoordination von Modul A und Modul B erfolgte durch die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften.