Dicke Luft im Klassenzimmer? Wie sich Ansteckungen durch Aerosole verhindern lassen
München, 23. Juli 2021
Aerosole sind eine wichtige Ansteckungsquelle in der Corona-Pandemie. Wir geben die winzigen Tröpfchen in die Luft ab, wenn wir singen und husten, aber auch schon, wenn wir atmen. Mit den Aerosolen gelangen auch Corona-Erreger von Mensch zu Mensch. Masken können das verhindern, ebenso Lüften und Luftfilter. Doch was genau sind Aerosole? Welche Rolle spielen sie für unsere Atmosphäre, unser Klima, unsere Gesundheit? Wie lässt sich dieser Ansteckungsweg ausschalten? Das waren Fragen bei „acatech am Dienstag“ am 6. Juli 2021.
Vor allem Klassenzimmer stehen derzeit im Blickpunkt, wenn es um Aerosole als Ansteckungsquelle geht. Wenn nach den Sommerferien die Schulen wieder öffnen, sollten Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte möglichst gut geschützt sein – und die allermeisten jungen Menschen sind bis dahin noch nicht geimpft. Ähnlich wichtig ist das Thema jedoch für alle geschlossenen Räume, in denen Menschen zusammenkommen, verdeutlichte Katharina Kohse-Höinghaus in der Begrüßung zur Veranstaltung – ob im Konzerthaus, in der Gastronomie oder auch im Krankenhaus.
Aerosole fallen wahrhaftig nicht sehr ins Gewicht,
könnte man meinen: Sie sind so klein, dass wir sie
meist nicht sehen können. Ihre Bedeutung blieb
daher meist unterschätzt. Doch sie spielen eine
große Rolle in der Atmosphäre und für das Klima.
Spätestens durch die Corona-Pandemie sind
Aerosole in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt.
Katharina Kohse-Höinghaus,
Universität Bielefeld / acatech Mitglied
Prof. Dr. Katharina Kohse-Höinghaus
Prof. Dr. Katharina Kohse-Höinghaus forscht seit mehr als zwanzig Jahren in der Physikalischen Chemie an der Universität Bielefeld mit dem Schwerpunkt Diagnostik und Reaktionsmechanismen von Verbrennungsvorgängen. Ihr Interesse gilt vor allem der Schadstoffreduktion bei der Verbrennung sowie der Verbrennungschemie alternativer Kraftstoffe. Sie ist Mitglied von acatech.
Aerosole und ihre Rolle bei der Übertragung von COVID-19
Ulrich Pöschl (Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz) stellte zunächst die Definition der Aerosole vor und machte deutlich, dass sie schon lange vor Corona ein Thema waren. Aerosolpartikel spielen eine wichtige Rolle bei der Bildung von Wolken und Niederschlag, beeinflussen das Klima und Ökosysteme, und sie können Atemwegs-, Herz-Kreislauf- und Infektionserkrankungen auslösen oder verstärken.
1 Nanometer bis 100 Mikrometer, das ist der Größenbereich von Proteinen bis hin zu Pollen.
Welchen Stellenwert hat der Ansteckungsweg über die Atemluft?
Nach jetzigem Stand wird das Corona-Virus auf verschiedene Arten übertragen: über die Luft (sog. Aerosole oder Tröpfchen) und die Atemwege oder über Oberflächen, die wir berühren. Die Übertragung über Atemluft spielt dabei die weitaus größere Rolle. Das Robert Koch-Institut (RKI) schreibt: „Der Hauptübertragungsweg für SARS-CoV-2 ist die respiratorische Aufnahme virushaltiger Partikel, die beim Atmen, Husten, Sprechen, Singen und Niesen entstehen. […] Eine Übertragung durch kontaminierte Oberflächen ist insbesondere in der unmittelbaren Umgebung der infektiösen Person nicht auszuschließen.“ Solche „Schmierinfektionen“ galten lange als der wesentliche Übertragungsweg. So twitterte die Weltgesundheitsorganisation WHO noch Ende März 2020: Es dauerte mehrere Wochen, bis dieses fundamentale Missverständnis ausgeräumt wurde.
„Ein einzelnes millimetergroßes Tröpfchen aus dem Atem einer infektiösen Person reicht aus, um eine andere Person mit COVID-19 anzustecken,“ erläuterte Pöschl. „Von kleineren Tröpfchen bzw. Aerosolpartikeln braucht es im Durchschnitt eine größere Anzahl, um jemanden zu infizieren.“ Beim Sprechen, Singen und Husten werden Tröpfchen von ähnlicher Größe ausgestoßen. „Die Emission der Aerosole ist direkt abhängig von der Lautstärke der Unterhaltung; deutlich geringere Emissionen hat man beim Atmen.“ Deshalb besteht in Räumen, in denen man sich leise unterhält, ein geringeres Infektionsrisiko als an Orten, an denen lauter gesprochen oder gesungen wird.
Prof. Dr. Ulrich Pöschl
Diplomstudien in technischer Chemie und Französisch (1988-1993). Promotion in Chemie an der Technischen Universität Graz, Österreich (1995). Postdoctoral Fellow bei Mario Molina am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, MA, USA (1996-1997). Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Paul Crutzen in der Abteilung Atmosphärenchemie des Max-Planck-Instituts für Chemie (1997-1998). Forschungsgruppenleiter am Institut für Wasserchemie der Technischen Universität München (1999-2005). Habilitation und Venia Legendi in Chemie an der Technischen Universität München (2006). Habilitation in Geochemie an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (2007). Forschungsgruppenleiter in der Abteilung Biogeochemie des Max-Planck-Instituts für Chemie (2005-2012). Direktor der Abteilung Multiphasenchemie und Wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Institut für Chemie (seit 2012).
Literaturnachweise
Wie wahrscheinlich ist eine Infektion über Aerosole in Innenräumen?
Ulrich Pöschl und Kollegen haben ein Modell entwickelt, in das Parameter wie die Größe des Raumes, die Anzahl der Personen darin und deren Aktivität einfließen. Daraus lassen sich sowohl das Ansteckungsrisiko für eine einzelne Person als auch das Risiko, dass sich überhaupt jemand in dem Raum mit dem Virus infiziert, abschätzen.
Literaturnachweise
Ihr Modell berücksichtigt, dass die Emission von Aerosolen direkt abhängig von der Lautstärke der Unterhaltung ist. Ulrich Pöschl beschrieb einen typischen Besprechungsraum, in dem eine infizierte Person mit Kollegen arbeitet. „Nach unserer Modellrechnung kann die Infektionswahrscheinlichkeit (also die Anzahl der Personen, die sich voraussichtlich anstecken) durch das Tragen von Masken kombiniert mit Fensterlüftung von 61 Prozent auf 8 Prozent (mit Stoffmasken) bzw. unter 0,1 Prozent (mit FFP-2-Masken) gesenkt werden.“
Ein Team bei ZEIT-ONLINE hat die Forschung über die Ansteckungswahrscheinlichkeit in Innenräumen 2020 für das Corona-Virus und 2021 für die Mutation b117 anschaulich aufbereitet.
- Interaktive Grafik zum Coronavirus in Innenräumen (ein Angebot von ZEIT-ONLINE)
- Interaktive Grafik zur Ansteckungsgefahr mit der Mutante in Innenräumen (ein Angebot von ZEIT-ONLINE)
Infektionsrisiken in Klassenräumen lassen sich verringern
Masken und auch Filtersysteme und Lüftungsmaßnahmen können also sehr hilfreich sein, am besten in Kombination. Ulrich Pöschl stellte ein einfaches Fensterlüftungssystem vor: Luft strömt über ein gekipptes Fenster hinter einem Vorhang ein, ein Abluftventilator im oberen Raumbereich saugt die erwärmte und mit Atemluftaerosolen angereicherte Luft ab (siehe obere Abbildung). Noch besser wirkt eine Kombination des Ventilators mit verteilten Abzugshauben über jeder einzelnen Person, vergleichbar mit dem Dunstabzug über einem Herd (siehe untere Abbildung).
Die Ventilatorgestützten Fensterlüftungssysteme können professionell oder im Do-It-Yourself-Verfahren installiert werden. Ulrich Pöschl und sein Forscherteam empfehlen sie als wirksame Alternative zu aufwändigerer Raumlufttechnik. Deshalb haben sie deren Wirksamkeit nicht nur erforscht, sondern stellen auch konkrete Leitfäden und Bauberichte kostenlos zur Verfügung. Entsprechende Anlagen werden in etwa 500 Klassenräumen in der Stadt Mainz und in mehr als 1000 Klassenräumen deutschlandweit bereits betrieben. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die einfachen Fensterlüftungssysteme auch im Vergleich zu anderen Lüftungs- und Luftreinigungsmethoden sehr gut abschneiden hinsichtlich Aufwand und Wirksamkeit
Wir müssen damit rechnen, dass die Corona-Pandemie, etwa durch neue Virusvarianten, wieder Fahrt aufnimmt. Trotz erhöhter Impfquoten brauchen wir wirksame, kostengünstige und einfach realisierbare Infektionsschutzmaßnahmen, insbesondere für die Schulen – damit diese nach den Sommerferien ohne Bedenken öffnen können. Dafür haben wir ein sehr einfaches, aber erwiesenermaßen wirksames Fensterlüftungssystem entwickelt und getestet.
Ulrich Pöschl,
Max-Planck-Institut für Chemie
Aerosole in der Atmosphäre beeinflussen Wetter und Klima
Birgit Wehner (Leibniz-Institut für Troposphärenforschung, Leipzig / Gesellschaft für Aerosolforschung) forscht zu Aerosolen in der Troposphäre. Besonders interessiert sie sich für den Einfluss der Aerosole auf die Wolkenbildung und auf das Klima. Dabei erläuterte sie auch Messmethoden der Aerosolpartikel, die sich teilweise auch in Innenräumen nutzen lassen.
Dr. Birgit Wehner
Dr. Birgit Wehner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig und hat sich auf die Messung von Aerosolpartikeln in der Luft spezialisiert. Sie ist ehrenamtliche Generalsekretärin der Gesellschaft für Aerosolforschung.
Aerosole in der Troposphäre
Aerosolpartikel „streuen und absorbieren solare und terrestrische Strahlung, sie sind als Wolkenkondensations- und Eisnukleationskerne an der Bildung von Wolken und Niederschlag beteiligt, und sie beeinflussen die Konzentration und Verteilung atmosphärischer Spurengase durch heterogene Reaktionen und andere Multiphasenprozesse.“ [Literaturnachweis] Die Troposphäre bezeichnet die unterste Schicht der Atmosphäre, die untersten 10 km. Dort spielt sich im Wesentlichen das Wetter ab. Zusätzlich zu Stationen am Boden wird in der Troposphäre mit Flugzeugen, Fesselballons und Drohnen gemessen. Die vertikale Verteilung der Aerosolpartikel ist ein wichtiger Wert für Modelle, die Klimaeffekte widerspiegeln und vorhersagen sollen. Über Messungen am Boden wird das Aerosol im Detail charakterisiert. Es gibt Messstationen in Städten, am Meer, auf Forschungsschiffen und in der Arktis. Das ist sehr wichtig, um möglichst unterschiedliche Aerosole zu erfassen und ihre Auswirkungen auf das Wetter und das Klima zu verstehen.
Wie misst man Aerosole?
Aerosolpartikel werden gezählt und ihre Größenverteilung wird vermessen. Die Größe gibt Hinweise darauf, welche Rolle die Aerosole fürs Klima und für die Gesundheit spielen. Zusätzlich wird nach optischen Eigenschaften unterschieden, das heißt ob es sich um streuende oder absorbierende Aerosolpartikel handelt.
Für Innenräume können ähnliche Messmethoden genutzt werden wie draußen. Derzeit sind die Geräte allerdings noch sehr groß und teuer, an der Entwicklung von kleineren, preisgünstigeren Geräten wird kontinuierlich gearbeitet.
Für Innenräume können ähnliche Messmethoden
genutzt werden wie in der Atmosphäre. Derzeit sind
die Geräte allerdings noch sehr groß und teuer.
Daher misst man häufig die CO2-Konzentration
und interpretiert sie als Indikator für die Konzentration ausgeatmeter Aerosolpartikel.Birgit Wehner,
Leibniz-Institut für Troposphärenforschung /
Gesellschaft für Aerosolforschung
Über die Wirksamkeit verschiedener Schutz-Maßnahmen
Als Generalsekretärin der Gesellschaft für Aerosolforschung (GAeF) befasst sich Birgit Wehner intensiv mit der Rolle von Aerosolpartikeln beim Corona-Infektionsgeschehen. Ein Positionspapier der GAeF beschreibt die Übertragungswege und Infektiosität der Aerosole und beurteilt davon ausgehend die Wirksamkeit verschiedener Schutzmaßnahmen.
Wie infektiös sind Viren, die über die Luft übertragen werden?
Wir stoßen beim Atmen, beim Sprechen, Husten und Niesen flüssige Aerosolpartikel unterschiedlicher Größen aus. Ist jemand mit einem Virus, wie z. B. SARS-CoV-2, infiziert, so können diese Aerosolpartikel Viren enthalten, die in die Luft gelangen und von anderen Personen eingeatmet werden können. SARS-CoV-2-Viren in einem Aerosol haben Halbwertzeiten im Bereich von Stunden [Literaturnachweis]. Aerosolpartikel, so beschreibt das Positionspapier der GAeF auf Seite 3 und verweist auf die Literatur, verteilen sich mit Luftströmungen relativ schnell, auch über größere Entfernungen: „Größere Aerosolpartikel sinken – abhängig von ihrer Größe und Dichte – zu Boden; kleine Aerosolpartikel können hingegen sehr lange in der Luft verbleiben.“
Die Gesellschaft für Aerosolforschung sieht noch viel Forschungsbedarf: „Die Dauer der Infektiosität aerosolgetragener Viren und weiterer aerosolgetragener Krankheitserreger ist bisher nicht hinreichend erforscht. Hierzu ist vermutlich auch die Entwicklung neuer Methoden nötig, um insbesondere die Infektiosität im Vergleich zu anderen Übertragungswegen beurteilen zu können. Letzteres schließt auch die Frage nach für die Infektion minimal notwendigen Virendosen ein.“ [Positionspapier der GAeF, S. 34]
Was hilft gegen eine Corona-Übertragung durch Aerosole?
Die Schutzmaßnahmen sind in den Medien bereits häufig diskutiert worden. Kürzlich publizierte wissenschaftliche Untersuchungen der Forscher um Ulrich Pöschl fassen viele Beobachtungen zusammen und unterstreichen die Bedeutung verschiedener Maßnahmen und deren Wirksamkeit.
Abstand halten: 1,5 Meter Abstand sind nicht ohne Grund der Anhaltspunkt für drinnen und draußen. Hierdurch halten wir auch Tröpfchen mit Durchmessern über 100 Mikrometer (und mit einer mitunter besonders hohen Virenlast) auf Abstand, jedenfalls solange sie nicht mit hoher Geschwindigkeit ausgeatmet werden. Die Flugbahn solcher Partikel ist stark von der Emissionsgeschwindigkeit und -richtung abhängig [Positionspapier der GAeF, Abb. 3]. Singen, Husten oder auch lautes Sprechen verteilt größere Aerosole also durchaus auch über 1,5 Meter und mehr.
Gesichtsvisiere und Plexiglasscheiben: Sie können als Spuck- und Spritzschutz gegenüber großen Tröpfchen dienen. Allerdings verhindern sie nicht die Ausbreitung kleinerer Tröpfchen.
Masken: Ausgeatmete Aerosolpartikel sind durch anhaftende Feuchtigkeit relativ groß und können somit auch von einfachen Masken effizient zurückgehalten werden. Jedoch verteilen sich die größeren Partikel in der Raumluft und werden kleiner. Deshalb sind einfache Mund-Nasen-Bedeckungen für den Selbstschutz weniger effizient. FFP2-Masken halten kleinere Aerosolpartikel ab.
Lüften: Frische Luft verringert die Konzentration von Aerosolen in der Raumluft und somit das Ansteckungsrisiko. „Fenster auf“ ist deshalb eine wirksame Schutzmaßnahme. Wenn es kalt ist oder regnet oder auch wenn Fenster aus Sicherheitsgründen geschlossen bleiben müssen, kommen Ventilation oder Frischluftanlagen in Frage.
Auf die Kombination kommt es an: Keine Maßnahme kann für sich alleine funktionieren. „Das Zusammenspiel der verschiedensten Maßnahmen ist nach derzeitigem Wissensstand der beste Weg zur Minimierung des Infektionsrisikos,“ betont das [Positionspapier der GAeF]. Diese Überlegungen stehen in Einklang mit den Aussagen der Forscher um Ulrich Pöschl, der Masken, Abstand und Ventilation empfiehlt: „Masks are particularly effective in combination with other preventive measures like ventilation and distancing.“ [Literaturnachweis]
Simulationen ermöglichen eine Optimierung der Luftqualität
Christian Barthel (Dassault Systèmes) erörterte schließlich, welchen Beitrag Simulationen bei der Verbesserung der Raumluftqualität spielen können: Sie machen Luftströmungen und Partikelbewegungen im konkreten Raum sichtbar.
Dassault Systèmes hat ein Verfahren entwickelt, um die Verbreitung von Luftströmen mit Aerosolen zu simulieren, zu analysieren und zu visualisieren. Die Simulationen berücksichtigen alle relevanten Einflussgrößen, welche die Luftbewegung und somit die Verteilung und Ansammlung von Aerosolpartikeln beeinflussen. Das sind unter anderem Wärmequellen wie Heizkörper, Körperwärme, Sonneneinstrahlung sowie Luftströme von Lüftungsanlagen, Computerlüftern oder Luftfiltergeräten. Auch die effektive Filterwirkung wie beispielsweise von Masken oder wirksamen Filtern in Lüftungsanlagen oder mobilen Luftfiltergeräten wird im Detail berücksichtigt.
Christian Barthel: „Wer die Luftströmungen in Klassenzimmern, in Konzertsälen oder auch in Arbeitsstätten versteht, kann Verbreitungsrisiken besser lokalisieren. Kleine Anpassungen der Belüftungssysteme können einen sehr großen Effekt haben auf ihre Wirksamkeit gegenüber Ansteckungen über Aerosole. Dafür liefern Raumluft-Simulationen die Datenbasis.“ So ist es möglich, einen kompletten Arbeits- oder Schultag in einem Raum zu simulieren – und dann den besten Kompromiss zwischen Luftreinheit, aber auch Energieverbrauch sowie thermischen und akustischen Komfort zu ermitteln. Mit den Erkenntnissen lässt sich die Effizienz von Bau- und Verbesserungsmaßnahmen verlässlich bewerten. Gegenüber physischen Modellen und Tests erhält man schneller und effektiver Ergebnisse.
Dassault Systèmes simuliert bereits seit einiger Zeit Lüftungssysteme für Krankenhäuser und führt nun Simulationen an anderen Orten ein, beispielsweise für Pflegeheime, Konzerthallen, Restaurants, Fertigungshallen und Büroarbeitsplätze. In vielen Fällen ist es möglich, gewonnene Erkenntnisse auf ähnliche Räume zu übertragen, so dass nicht jeder einzelne Raum simuliert werden muss.
Aerosole im Krankenhaus: Vorhersage kontaminierter Oberflächen durch Aerosolablagerung
Die Simulation zeigt zum einen die Verteilung der Partikel in der Luft (grün) und zum anderen, wie sich die Partikel im Laufe der Zeit auf Oberflächen ablagern (rot).
© Dassault Systèmes
Philharmonie in Paris
Zu sehen ist, wie Luftstrom und Schutzmaßnahmen – z. B. das Tragen von Masken – die Ausbreitung von Virenpartikeln beeinflussen und wie sich die Partikel in Richtung Konzertbesucher, Musiker und Dirigent ausbreiten. Im Berechnungsmodell wurden auch die Belüftungssysteme jedes Sitzes und die verschiedenen Richtungen, in denen Treppen, Sitze und Boden des Konzertsaals von der Luft umströmt werden, berücksichtigt.
© Dassault Systèmes
Einfluss eines mobilen Luftreinigers in einem Besprechungszimmer
Hier wird der Effekt eines mobilen Luftreinigers in einem Besprechungszimmer simuliert. Zu Beginn ist Luft mit Aerosolen (grün) zu sehen, die der Luftreiniger im Laufe der Zeit reinigt (weiß).
© Dassault Systèmes
Simulationen machen Luftströmungen und Partikelbewegungen sichtbar und dadurch auch potentielle Risiken in unserer Umgebung. Erst dann lässt sich die Effizienz von Bau- und Verbesserungsmaßnahmen genau bewerten und optimieren. In der Industrie werden Simulationsmethoden bereits seit Jahrzehnten erfolgreich angewendet. Nun setzen wir die Methoden auch ein, um für sichere und gesunde Luft in unseren Innenräumen zu sorgen.
Christian Barthel,
Dassault Systèmes
Christian Barthel
Christian Barthel spezialisierte sich in seinem Maschinenbaustudium an der Hochschule Kempten auf die Numerische Simulation. Seit 2016 bei der Exa GmbH, die später in Dassault Systèmes überging und verantwortet dort den Vertrieb von Simulationslösungen. Zu Beginn der Covid-19 Pandemie baute er Lösungsmethoden für Aerosolsimulationen mit auf.
Schlusswort des Präsidenten
acatech Präsident Jan Wörner berichtete in seinem Schlusswort, dass die Idee für das Thema von „acatech am Dienstag” aus dem Kreis der Mitglieder kam. Die Diskussion habe sehr plastisch gezeigt, wie wichtig eine wissenschaftsbasierte, aber auch nachvollziehbare und lebensnahe Betrachtung der Möglichkeiten ist.
Es gibt keinen Königsweg, um die Übertragung der Corona-Viren in Innenräumen zu verhindern. Mit dem Bündel der hier vorgestellten Schutz-Maßnahmen lassen sich Klassenzimmer, aber auch Kulturstätten wirksam schützen. Zwar hoffe ich, dass wir in Deutschland bald eine ausreichende Impfquote erreichen und so die hohen Zuwächse an Infektionen in den Griff bekommen. Andernfalls jedoch müssen wir vorbereitet sein. Die Expertinnen und Experten bei „acatech am Dienstag“ haben dafür essentielles Orientierungswissen und auch Praxisleitfäden zusammengetragen.
Jan Wörner,
Präsident acatech