Die Bedeutung chemischer Energiespeicher für die Energiewende

München, 7. Dezember 2023
Welche Rolle können chemische Energiespeicher für die Energiewende spielen? Derzeit steht Wasserstoff als Energieträger der Zukunft im Fokus, relativ neu in der Diskussion hingegen ist Eisen als Energiespeicher. acatech am Dienstag diskutierte am 28. November über chemische Speicheroptionen, deren technologische Reife- und Wirkungsgrade. Auch die Herausforderungen der Grundlagenforschung und Fragen des Transports waren Teil des Austauschs.
In seiner Begrüßung sprach acatech Präsident Jan Wörner über den Verbrauch von Primärenergie, der sich bis heute hauptsächlich aus fossilen Quellen, Kernenergie und erneuerbaren Energien speist. Um die Energieversorgung komplett auf Erneuerbare Energien umzustellen, brauche es vor allem eines: Speicher. Denn die Stromnachfrage während des Tagesverlaufs und auch über das Jahr gesehen variiert stark. Und auch das Angebot an Strom aus Erneuerbaren ist sehr wechselhaft, etwa dann, wenn die Stromerzeugung direkt von Wind und Sonneneinstrahlung abhängt. Leistungsnachfrage und -angebot harmonieren dann nicht miteinander.
Vor- und Nachteile chemischer Energiespeicher
acatech Mitglied Katharina Kohse-Höinghaus, Seniorprofessorin an der Universität Bielefeld, nannte zu Beginn ihres Vortrags Beispiele für Energiespeicher: Batterien, Kohlehalden, Brennstäbe, Gaskavernen, Tanks, Pipelines und Stauseen. Durch die international wachsende Bevölkerung wird in Zukunft der Bedarf an Energie steigen – zum Beispiel für Stromerzeugung, Transport und Wärme. Daher müsse sowohl über alternative Stromerzeugung als auch über neue Speichermöglichkeiten nachgedacht werden, so Katharina Kohse-Höinghaus. Während für die Stromerzeugung einige Alternativen zur fossilen Primärenergie verfügbar wären, seien es aktuell etwa zum Transport vergleichsweise wenige.
Chemische Speicher sind als einzige in der Lage, viel Energie lange zu speichern. Prozesse der Energieumwandlung müssten dabei ebenfalls in den Blick genommen werden. Vor- und Nachteile einiger chemischer Energiespeicher sowie diskutierte Einsatzmöglichkeiten zeigte Katharina Kohse-Höinghaus in folgender Übersicht.
Chemische Energiespeicher: Vor- und Nachteile sowie mögliche Nutzung
Wasserstoff (H2): Elektrolyse
- Transport schwierig, hohe Abdampfrate, Entflammbarkeit mit O2, Sicherheitsprobleme, indirektes Klimagas
Nutzung: Brennstoffzelle, Gasturbine, chemische Industrie, Stahlerzeugung.
Ammoniak (NH3): Haber-Bosch-Verfahren
- Großtechnisch herstellbar (mit H2), Transport erfolgt bereits, toxisch, reaktionsträge, Emissionen von NO, NO2, Klimagas N2O
Nutzung: Ferntransport (Schiff), Gasturbine (im Gemisch mit H2).
Methan (CH4): Herstellung braucht H2 und Kohlenstoff-Quelle
- Handling bekannt, Klimagas
Nutzung: Schwertransport, Gasturbine, chemische Industrie.
Methanol (CH3OH), Dimethylether (CH3OCH3) etc.: Herstellung braucht H2 und Kohlenstoff-Quelle
- Handling bekannt, vorteilhaft in flüssiger Phase
Nutzung: Brennstoffzelle, Dieselersatz, chemische Industrie.
Wasserstoff als chemischer Energieträger
Maximilian Fleischer, Siemens Energy und Mitglied des Sounding Board H2-Kompass, verdeutlichte zu Beginn seines Vortrags, dass es zunehmend problematischer wird, das Energiesystem für Deutschland stabil zu halten: Je mehr Energie von Erneuerbaren ins Stromnetz eingespeist wird, umso wechselhafter ist das Angebot. Zur Veranschaulichung thematisierte er die verschiedenen Kapazitäten und Zeitskalen der einzelnen Energiespeicher. Ein wichtiges Kriterium sei dabei immer, wieviel Energie man einspeise und wieviel am Ende wieder herauskomme. Batterien schneiden hier sehr gut ab, denn sie geben 80 bis 90 Prozent des aufgewendeten Stroms wieder zurück. Allerdings verfügen sie nur über eine begrenzte Lebensdauer. Viele chemische Energiespeicher haben eine längere Lebensdauer, weisen jedoch höhere Verluste bei der Energieabgabe auf. Eine Ideallösung gebe es leider nicht, so Maximilian Fleischer. Aktuell wird die Erzeugung von Wasserstoff großtechnisch realisiert. Dieser kann dann ebenfalls großtechnisch in andere chemische Energiespeicher umgewandelt werden.
Es sei durchaus möglich, das gesamte Energiesystem zu defossilisieren, das heißt fossile Energieträger durch erneuerbare Alternativen zu ersetzen. Aber die dazu benötigten Technologien müssen für einen effizienten und kostengünstigen Einsatz erst noch vorangebracht und ausgebaut werden. Ein Königsweg ist daher aktuell nicht abzusehen.
Eisen als chemischer Energiespeicher
Christian Hasse von der Technischen Universität Darmstadt unterstrich die große Relevanz von chemischen Energiespeichern für die Energiewende.
Kernaussagen:
- Das Energiesystem der Zukunft braucht unterschiedliche Energiespeicher.
- Metalle sind für Langzeitspeicherung großer Energiemengen geeignet.
- Klimaneutrale Umrüstung von Infrastrukturen ist wichtig für die Energiewende.
- Grundlagenforschung und Demonstratoren treiben gemeinsam den Fortschritt voran.
Metalle – insbesondere Eisen – verfügen als chemische Energiespeicher über die folgenden vorteilhaften Eigenschaften: Eisen hat eine hohe Energiedichte, kann über lange Zeiträume gelagert werden, ist nicht toxisch, kein kritischer Rohstoff, hochverfügbar und leicht abbaubar. Durch die CO2-freie Reduktion (Recycling) kann Energie eingespeichert und durch die CO2-freie Oxidation (Verbrennung) ausgespeichert werden. Dies ist vergleichbar mit dem Be- und Entladen eines Akkus. So kann eine CO2-freie Kreislaufwirtschaft auf Basis von Eisen als Energieträger entstehen. Eine konkrete Option ist die klimaneutrale Umrüstung der bestehenden Kohlekraftwerke, indem Kohle durch Eisen ersetzt wird. Anpassungen seien für Brennstoffzufuhr, Kessel und Abgasreinigung/Entstaubung notwendig, während Dampferzeuger und Turbinen weitergenutzt werden könnten. Die thermischen Wirkungsgrade seien vergleichbar mit denjenigen von Kohle, betonte Christian Hasse. Techno-ökonomische Analysen für den Gesamtwirkungsgrad und die Kosten bestätigen das große Potenzial.