Dialogreihe #DIGITALESHESSEN: Bringt Corona die digitale Medizin?
Berlin, 16. Juni 2021
Bringt Corona die digitale Medizin? Diese Frage erörterten im Online-Dialog #DIGITALESHESSEN am 10. Juni die Hessische Digitalministerin Kristina Sinemus mit Keywan Sohrabi (Technische Hochschule Mittelhessen), Susanne Springborn (Fachärztin für Allgemeinmedizin) und acatech Präsident Karl-Heinz Streibich. Ein Fazit: Die Möglichkeiten sind groß, Diagnose, Beobachtung und Behandlung zu vereinfachen – im Mittelpunkt der Medizin bleiben aber Patient und Arzt.
Digitale Arztbesuche, Diabetes-Apps – in der Pandemie gewinnen digitale Ergänzungen der medizinischen Versorgung weiter an Bedeutung. Mehr als die Hälfte aller Arztpraxen bieten Online-Sprechstunden an. Die elektronische Patientenakte ist Anfang des Jahres gestartet. Auch die Entwicklung von Impfstoffen gelingt mit digitalen Prozessen besser. Die Corona-Pandemie hat der digitalen Medizin einen Schub gegeben, doch wie geht es weiter? Wo liegen die Chancen und Risiken, Herausforderungen und Grenzen von E-Health und digitalisierter Medizin? Das waren Fragen des Moderators Holger Schmidt, Netzökonom und Journalist.
Daten teilen heißt besser heilen
„Die Digitalisierung des Gesundheitssystems ist ein datenfokussierter Innovationsprozess“, sagte der Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, Karl-Heinz Streibich. „Daten teilen heißt besser heilen – dafür gibt es viele Belege. Unsere Beschränkungen beim Umgang mit Gesundheitsdaten bleiben das größte Hindernis auf dem Weg zu einem digitalisierten, dynamisch lernenden Gesundheitssystem. Wir müssen den Datenschutz in besseren Einklang mit dem Schutz von Leben und Gesundheit bringen.“
„Die Pandemie hat uns in Erinnerung gerufen, was oft vernachlässigt wird: Die Gesundheit ist das höchste Gut“, ergänzte Hessens Digitalministerin Kristina Sinemus. „Zugleich hat Corona der Digitalisierung einen enormen Schub verliehen – auch in der medizinischen Versorgung.“ Die hessische Landesregierung habe zahlreiche Maßnahmen angestoßen, um die Digitalisierung der Medizin weiter voranzutreiben. Ziel sei eine Entlastung des medizinischen Personals. „Wer digital heilt, hat am Ende mehr Zeit für das, was wirklich zählt: die Patienten“, so die Ministerin.
E-Health-Technologien für die Praxis
Keywan Sohrabi, Professor für Medizinische Informatik an der Technischen Hochschule Mittelhessen stellte Projekte der angewandten Forschung vor: „Mit E-Health- Technologien können wir zum Beispiel Eltern unterstützen, Kinder mit Pseudo-Krupp besser zu beobachten und einzuschreiten, bevor es zu anfallartigem Husten und Atemnot kommt“, erklärte der Professor. „Wir ersetzen mit unseren Anwendungen nicht den Arzt. Wir machen Diagnose, Beobachtung und Behandlung aber deutlich sicherer, zuverlässiger und einfacher – und können Eltern und anderen Angehörige dadurch einen Teil Ihrer Sorgen nehmen.“
Susanne Springborn nutzt telemedizinische Anwendungen bereits seit 2018. „Ich habe positive Erfahrungen mit der Videosprechstunde gemacht: Sie spart Zeit, Geld und Aufwand“, sagte die Allgemeinmedizinerin. „Die Patienten finden eine Sprechstunde in der eigenen Wohnung sehr angenehm – vor allem, wenn sie nicht mehr so mobil sind. Und sie können aktiv beim Befund mitmachen: zum Beispiel den Blutdruck messen. Ärzte müssten sich aber immer der Grenzen bewusst sein: „Wir können den kalten Schweiß eines akuten Herzinfarktes während der Videosprechstunde weder fühlen noch riechen.“