Dialogreihe #DIGITALESHESSEN: Corona – Turbo oder Bremsklotz für Startups?
München, 17. Dezember 2020
Gerade von Startups werden digitale Innovationen erwartet – doch auch viele Hightech-Gründungen spüren die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise. Dabei bieten junge Unternehmen oft die Produkte oder Dienstleistungen an, die jetzt in der Krise gebraucht werden. Wie kann die Politik Gründerinnen und Gründer unterstützen? Was brauchen Startups, um zu wachsen? Ist Corona Turbo oder Bremsklotz für die Gründerszene?
Beim dritten Online-Dialog #DIGITALESHESSEN am 15. Dezember 2020 diskutierte Kristina Sinemus, Hessische Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung, mit acatech Präsident Karl-Heinz Streibich, dem acatech Präsidiumsmitglied Ann-Kristin Achleitner und zwei erfolgreichen Gründern aus Hessen. Moderiert wurde das Webex-Event von Alexander Hagelüken, Wirtschaftsredakteur bei der Süddeutschen Zeitung.
Neue Technologien und Geschäftsmodelle
„Startups sind das Saatgut für neue, führende Technologieunternehmen, für die globalen Champions von Morgen. Erfolgreiche Gründerinnen und Gründer verändern mit disruptiven Innovationen ganze Märkte und die Spielregeln der Wirtschaft“, sagte der Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, Karl-Heinz Streibich. „Sie schaffen völlig neue Technologien und Geschäftsmodelle, die über die inkrementelle Verbesserung des Bestehenden niemals erreichbar wären.“ Die Stärke des Innovationsstandorts Deutschland sei deshalb abhängig vom unternehmerischen Erfolg seiner Startups.
„Eine Pandemie macht die Herausforderungen nicht unbedingt kleiner“, räumte die Hessische Digitalministerin Kristina Sinemus ein. „Sie ist aber auch eine Chance, wenn die Angebote digitale Lösungen umfassen, die beispielsweise bei Kontaktbeschränkungen helfen.“ Es setzten sich immer die Geschäftsmodelle durch, die auf veränderte Verhaltensweisen und neue Nachfragen reagieren. Genauso wichtig sei aber auch die digitale Infrastruktur, etwa hochperformante Kommunikationsnetze. Das Land Hessen setzt hier auf einen flächendeckenden Ausbau und fördert Startups darüber hinaus durch Programme wie Distr@l oder HIGHEST.
Schnittstellen zur Industrie ausbauen
Ann-Kristin Achleitner unterstrich, dass das Wachstumspotenzial junger Hightech-Unternehmen nicht ausreichend genutzt werde. Die Wachstumsfinanzierung sei eine zentrale Schwäche des deutschen Innovationssystems. „In den USA und China wird im Vergleich zu Europa im Schnitt anderthalb mal mehr beziehungsweise mehr als dreimal so viel in Wachstumsunternehmen investiert“, erläuterte die Wirtschaftswissenschaftlerin. Handlungsbedarf gebe es vor allem bei der Zusammenarbeit von jungen und etablierten Unternehmen, bei den Schnittstellen zur „alten“ Industrie. Regionale Innovationscluster mit kurzem Draht zur Finanzwirtschaft sollten künftig noch stärker im Fokus der Innovationsförderung stehen: „Wir haben viel aufzuholen. Aber ich bin optimistisch, dass das gelingt.“
Hanno Storz, Mitbegründer der STRAFFR GmbH in Kassel, beschäftigte zuletzt weniger die Finanzierung als der Aufbau einer Lieferkette. „In der Corona-Krise zeigt sich, dass regionale Lieferketten enorme Vorteile bringen“, so der Jungunternehmer aus Hessen. „Auch wenn Startups immer auf die Kostenseite schauen müssen.“ Das vor gut einem Jahr gegründete Unternehmen bietet per App und einem intelligenten Fitnessband Trainingsmöglichkeiten für zuhause an – ein Geschäftsmodell, das gerade jetzt Gewinn verspricht. Auf die Auslieferung der ersten Produkte hofft Hanno Storz für den Februar 2021: „Für Startups war es nie leicht Fachkräfte wie IT-Spezialisten zu finden. Und das ist in der Krise nicht einfacher geworden.“
Mehr Aufmerksamkeit und Akzeptanz
Von deutlich mehr Aufmerksamkeit und Akzeptanz für sein Geschäftsmodell sprach auch Tom Plümmer, Mitbegründer der Darmstädter Wingcopter GmbH. Das Unternehmen ist seit 2017 am Markt und stellt innovative Drohnen für die Vermessung oder die Logistik her. Auf die Idee, Flugdrohnen auch für die Auslieferung von Medikamenten zu nutzen, sei er bei einem längeren Aufenthalt in Ghana gekommen, erzählt Tom Plümmer. Seither habe Wingcopter umsatzfinanzierte Projekte auf fünf Kontinenten abgeschlossen. Ende 2019 sei dann ein Investor aus Singapur eingestiegen. „Wir haben schon an die abgelegensten Orten dieser Welt Impfstoffe geliefert““, berichtet der Gründer. „Jetzt bereiten wir uns auf die Auslieferung von Impfstoffen gegen das Coronavirus vor.“