Digitale Geschäftsmodelle und Datenschutz: Henning Kagermann im Gespräch mit Europa-Abgeordneten
Bad Peterstal, 7. Juli 2015
Am 6. Juli 2015 hat acatech Präsident Henning Kagermann mit Abgeordneten der CDU/CSU-Gruppe in der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) über die Chancen und Herausforderungen der digitalen Transformation der Wirtschaft beraten. Die Diskussion mit den Europa-Parlamentariern fand im Rahmen einer Klausurtagung der Gruppe in Bad Peterstal im Schwarzwald statt.
Henning Kagermann betonte in seinem Impulsvortrag, Deutschland müsse auf seiner digitalen Reise zweigleisig fahren: Zum einen gelte es, vorhandene Stärken im Bereich der Entwicklung innovativer Produkte und bei der Produktionstechnik auszubauen, zum anderen müssten neue Kompetenzen im Bereich der Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle und Dienstleistungen aufgebaut werden, um auch künftig international wettbewerbsfähig zu sein.
Henning Kagermann skizzierte den aktuell ablaufenden, grundlegenden Paradigmenwechsel bei Geschäftsmodellen in der digitalen Welt: Standen bisher Produkte und Unternehmen im Mittelpunkt vieler Geschäftsmodellen, rückt jetzt der Nutzer in den Mittelpunkt. Der Wettbewerb um die Kundenschnittstelle sei deshalb der entscheidende Faktor für unternehmerischen Erfolg, sagte Kagermann, der zuletzt die Zukunftsprojekte Industrie 4.0 und Smart Service Welt leitete. Innovative Geschäftsmodelle basierten immer mehr auf Daten. Diese würden so zum erfolgskritischen Wirtschaftsgut, und nicht zuletzt sei Datenpolitik somit Wettbewerbspolitik.
„Die mit Industrie 4.0 verbundenen Chancen für den Industriestandort Deutschland sind groß und müssen genutzt werden. Wenn wir hier den Anschluss an die globale Entwicklung verpassen, hat dies unabsehbare Folgen für unsere Wirtschaft“, sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Herbert Reul (CDU). Die Diskussionen über einen angemessenen Datenschutz seien richtig, dürften aber nicht dazu führen, dass ganze Geschäftsfelder, die für Wachstum und Arbeitsplätze sorgten, aus Europa in die USA und andere Wirtschaftsregionen abwanderten, so Reul.
In Richtung des Europäischen Parlaments empfahl Henning Kagermann den Abgeordneten deshalb, den Ausbau der digitalen Infrastrukturen europaweit voranzutreiben und im Rahmen der europäischen Datenschutzgrundverordnung einen einheitlichen und effektiv durchsetzbaren Ordnungsrahmen für die Datenverwendung im privaten Bereich zu schaffen. Auch bislang noch offene rechtliche Fragen des Eigentums nicht pesonenbezogener Daten müssten rasch geklärt werden, um im globalen Wettbewerb nicht in einen rechtlich bedingten Innovationsrückstand zu geraten.
Vor dem Hintergrund der aktuellen europäischen Debatten über Netzneutralität und den Breitbandausbau machte Henning Kagermann deutlich, dass das Internet der Dinge, also der vernetzten Produktion und Logistik, nur mit flächendeckend gesicherten Verbindungen in hoher Qualität weit jenseits der aktuell angepeilten 50 Mbit/s-Leistungsfähigkeit funktionieren kann. Dafür bedürfe es neben der notwendigen technischen Infrastruktur auch der Möglichkeit, dass Anbieter Qualitätsdienste mit garantierten Leistungsmerkmalen für die Internetübertragung beim Netzbetreiber bestellen können.
Reul betonte, dass das neue Datenschutzreglement keine unnötigen bürokratischen Hürden für Unternehmen schaffen dürfe, sondern die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen unterstützen müsse. „Wir brauchen gleiche Wettbewerbsbedingungen für eine starke europäische Wirtschaft und differenziertere Standards für kleine, mittelständische und große Unternehmen“, so der Vorsitzende der Unionsabgeordneten im Europaparlament.
acatech unterstützt parlamentarische und politische Gremien unter anderem in Anhörungen, Workshops und Fachgesprächen. Dort stellt die Akademie die Ergebnisse und Empfehlungen interdisziplinärer Projekte zu gesellschaftlichen Herausforderungen mit Technologiebezug vor. Das Themenspektrum reicht dabei von den technologischen Voraussetzungen für eine nachhaltige und sichere Energiewende und -versorgung über die Zukunft der industriellen Produktion bis hin zu den Auswirkungen der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft.