Digitale Lehre in Zeiten von Corona
München, 26. November 2020
Durch die Corona-Krise gehört die Digitale Lehre zum Alltag für viele Studentinnen und Studenten sowie Lehrende. Sie alle erlebten einen schnellen Wechsel von Präsenz- zu Online-Unterricht. Gäste der Veranstaltungsreihe acatech am Dienstag diskutierten am 17. November, ob die digitale Lehre auch über die Corona-Krise hinaus zur neuen Normalität wird. Dabei fragten sie wie dies Lehrende und Studierende unterschiedlicher Studienfächer bewerten und wie sich das Lernen und Lehren durch digitale Formate verändert.
Beate Neu, Medizinstudentin an der TU München, berichtete, dass in Ihrem Studiengang vor allem praktische Kurse entfallen würden. Gleichzeitig betonte sie, dass diese durch „Online Patienten Simulationen“ ersetzt würden. Sie sei überrascht, wie viele es von diesen gebe, doch ersetzen könnten sie den Patientenkontakt natürlich nicht. Saskia Hutschenreiter, Studentin Technologie- und Managementorientierte BWL an der TU München, sagte, dass sich die Studierenden durch die Schließung der Bibliotheken im Sommersemester auch bei der Informationssuche umstellen mussten. Darüber hinaus nutzten die Studierenden verlässliche Portale und Webseiten der Universität.
Die Wirtschaftspädagogin und acatech Mitglied Olga Zlatkin-Troitschanskaia, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, wies in ihrem Impulsvortrag darauf hin, dass digitale Lehr-Lern-Plattformen in der Hochschulbildung erhebliche Grenzen in ihrer Wirksamkeit auf den Kompetenzerwerb und Studienerfolg hätten. Sie betonte, dass nur wenige Studierende online Studiengänge erfolgreich abschließen würden. Als Hauptgründe für den Studienabbruch nannten die befragten Studierenden vor allem Schwierigkeiten im Zeitmanagement und mit dem Onlinekontext sowie fehlende soziale Interaktion. Zur Nutzung von im Internet frei verfügbaren Medien und Informationsquellen, welche Studierende zum Lernen im Hochschulkontext zunehmend nutzen, berichtete sie aktuelle Forschungsbefunde, wonach die Online-Mediennutzung im Hinblick auf den Kompetenzerwerb wenig effektiv sei und wenig zum Erwerb von Fachwissen beitrüge. Außerdem zeigten Studierende trotz intensiver Nutzung von Online-Medien erhebliche Defizite im kritischen Umgang mit Online-Informationen, welche sich im Laufe des Studiums kaum signifikant verbesserten. Sie regte an, über Längsschnittstudien systematisch zu untersuchen, warum die digitalen Alternativen im Vergleich mit traditionellen Lehr-Lernmaterialien wie Lernbücher und Course Skripte so wenig effektiv sind, um auf dieser Basis effektive digitale Lehr-Lern-Tools entwickeln zu können.
Peter Greisler, Leiter der Unterabteilung 41 (Hochschulen) im Bundesministerium für Bildung und Forschung, begrüßte, dass die Hochschulen ihre Freiheiten bei der Umsetzung der digitalen Lehre zum großen Teil genutzt haben. Er betonte, dass die Umstellung von Präsenz- auf Online-Veranstaltungen natürlich von Fall zu Fall mal leichter und mal nicht so leicht gelingt. Grundsätzlich sei wohl mit einer Verlängerung der Studienzeit zu rechnen. Er appellierte an die Lehrenden und die Studierenden, ihre digitalen Kompetenzen zu erweitern. Er regte einen stärkeren Austausch von Wissen und Materialien zwischen den Hochschulen an. Den Lehrenden sollten professionelle Servicedienstleister zur Seite gestellt werden, um diese bei den Vorbereitungen von digitalen Formaten zu unterstützen.
Michael Mihatsch, Leiter der Abteilung Universitäten und Hochschulmedizin, Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, plädierte für angemessene und hybride Lösungen, um einen zielführenden Mix aus Präsenz- und Online-Vorlesungen in der Zukunft zu gewährleisten. Der Hochschulalltag wie in der Zeit vor Corona werde sicherlich nicht wiederkommen.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sich einig, dass die Umstellung von Präsenz- auf Onlineveranstaltung für die verschiedenen Studienformate (Vorlesung, Seminar, Praktikum) unabhängig vom Studienfach unterschiedlich gut umsetzbar sind. So sei der Aufwand beispielsweise für Praktika derzeit durch die geringere Teilnehmerzahl ein vielfacher Aufwand – während es bei Massenvorlesungen zunächst keinen großen Unterschied zwischen Präsenz- und Online-Vorlesungen gäbe. Eine besondere Herausforderung, wenn nicht gar unmöglich, sei es auch, Exkursionen durch eine digitale Variante zu ersetzen. Ein Bereich, der besonders schwer umzustellen sei, nicht zuletzt aufgrund rechtlicher Faktoren, sei das Prüfungswesen. Dies bestätigten auch die Vertreter der Ministerien.
Weitere Informationen zum Thema Digitale Lehre:
Zum internationalen Forschungsprogram „Positive Learning in the Age of Information (PLATO)“