EnVision Halbzeitbilanz: Visionen als Antrieb für die Energiewende
Berlin, 12. August 2020
Halbzeit im Projekt EnVision: Können gemeinsame Visionen die Energiewende erleichtern? Dieser Frage geht das Projektteam aus der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform und acatech gemeinsam mit weiteren Expertinnen und Experten aus dem Energiebereich seit November 2019 nach. Mehrheitlich wurde dies bejaht. Im nächsten Schritt erörtern die Projektbeteiligten nun, wer Visionen gestalten sollte und wie sie in die Gesellschaft hineinwirken könnten.
Das Energiesystem ist mehr als Technik und Wirtschaft – Werte, Umwelt und Soziales müssen mitdiskutiert werden
Viele der Befragten und Teilnehmenden sind sich einig: Eine Diskussion nur über Technologien und quantitative Ziele der Energiewende reicht nicht aus, um die Gesellschaft für die Transformation zu gewinnen. Genauso müssen normative und gesellschaftliche Aspekte adressiert werden. „Technisch und ökonomisch wissen wir ja, wie die Energiewende funktionieren kann – jetzt müssen wir gemeinsam schauen, wie das Ganze gesellschaftlich gangbar und zügig umsetzbar ist“ (Frank-Detlef Drake – innogy SE).
Daran knüpfen sich Fragen zur gesellschaftlichen Beteiligung an: Gibt es ausreichend Beteiligungsformate für Bürgerinnen und Bürger? Wie müssen diese gestaltet sein, um Herausforderungen in der Energiewende zu lösen und Akzeptanz zu befördern? Gerade auf lokaler Ebene wird innovativen Beteiligungsformaten ein Mehrwert zugesprochen: „Ob Partizipation förderlich oder hinderlich ist, hängt davon ab wie sie gestaltet wird. Es gibt bestimmt Themen, die sich weniger für Beteiligungsformate eignen. Die Energiewende setzt breite Partizipation fast voraus, weil es als Thema auch an Identität und Zukunft geknüpft ist“ (Marina Weisband – Politik digital e.V.).
Viele Herausforderungen bei der Umsetzung der Energiewende sind bekannt. Dazu zählen insbesondere Gerechtigkeitsaspekte, beispielsweise bei der Verteilung von Windkraftanlagen zwischen Stadt und Land oder auch zwischen Regionen, die Aufteilung des öffentlichen Raums in der Stadt oder EEG-Ausnahmen. Eine gemeinsam erarbeitete Vision, die eine gerechte Energiewende aufzeigt, könnte zu Lösungen der Verteilungskonflikte beitragen.
Es gibt bereits viele Anknüpfungspunkte für die Ausgestaltung von Visionen
Des Weiteren gilt es, nicht nur die Probleme der Transformation anzusprechen, sondern auch die positiven Aspekte zu kommunizieren wie beispielsweise eine „neue Verteilung des öffentlichen Raums eine Stadt lebenswerter machen kann“ (Susanne Henckel, VBB). In vielen Teilbereichen der Energiewende gibt es bereits visionäre Konzepte durch Reallabore, Vorreiterstädte und Pionierregionen in Deutschland und in anderen Ländern. Sie könnten zum Aufhänger werden, Visionen gesellschaftlich breit zu diskutieren und auf die Begebenheiten vor Ort herunterzubrechen. „Die lokale Ebene muss überzeugen können, dafür muss die ‚hohe Politik‘ vernünftige Argumentationslinien aufzeigen und diese müssen in gesellschaftlicher Debatte als sinnhaft erachtet werden“ (Barbara Hendricks – SPD).
Um den Transmissionsriemen zu globalen Zielen zu schließen, könnten internationale und europäische Abkommen und Leitlinien wie das Pariser Klimaabkommen, die Agenda 2030, und der Europäische Green Deal diskussionsleitend sein. Wichtig ist nun zu klären, wie diese in nationale, regionale und lokale Visionen einfließen und den Wandel greifbarer machen können.
Weiterführende Informationen zum Projekt EnVision
Das Projekt möchte Antworten auf die Frage erarbeiten, ob gesellschaftliche Visionen helfen könnten, bestehende Kontroversen und Wertekonflikte in der Energiewende konstruktiv zu adressieren. Dafür wurden bisher mehr als 20 Interviews und Gespräche mit Expertinnen und Experten aus Politik und Verwaltung, Wirtschaft, organisierter Zivilgesellschaft und Wissenschaft geführt, zwei Fachworkshops zu den Themengebieten Windkraft und Mobilität sowie ein zwei Steuerungstreffen abgehalten. Aus der Zusammenschau der Zwischenergebnisse wurden vorläufige Thesen als „living document“ erstellt, die im Projekt immer wieder neu reflektiert und überprüft werden sollen. Da ein Großteil der Projektumsetzung in die Corona-Krise fällt, etablierte sich als weiterer Diskussionspunkt, wie die Krise die Sicht auf die Energiewende verändert. Die Mehrheit der Teilnehmenden betonte, dass die Corona-Krise die Bedeutung der Energiewende nicht gemindert hat. Im Gegenteil: Die Krise zeige die Notwendigkeit, globale Probleme gemeinsam anzugehen und dass „auch ein anderes Handeln möglich ist – alte Gewohnheiten werden durchbrochen“ (Gesine Schwan – HUMBOLDT VIADRINA Governance Platform).
Die Frage nach der konkreten Ausgestaltung von Visionen und wie der Green Deal dazu beitragen kann, wird in einem weiteren Fachworkshop im September 2020 erörtert. Das Projekt wird von der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform und acatech gemeinsam bis Ende des Jahres durchgeführt und von der innogy Stiftung gefördert. Die Ergebnisse des Projekts werden in einer Abschlusspublikation aufbereitet werden.
Mehr Informationen auf der Projektwebseite
Ansprechpartnerin bei acatech
Magdalena Bauer
wissenschaftliche Referentin
bauer@acatech.de
www.acatech.de
Ansprechpartnerin bei der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform
Katja Treichel
Leitung Energie-Trialoge
ktreichel@governance-platform.org
www.governance-platform.org