Biotope gegen den Fachkräftemangel: Was Fachkarrieren wachsen lässt
München, 21. Mai 2024
Sie entscheiden maßgeblich über die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen: Führende Expertinnen und Experten sind gesucht und als wichtiger interner Innovationsmotor in aussichtsreicher Position. Aber gilt das gleichermaßen für die Karriereaussichten? Welche Hebel haben Unternehmen, diesen stark nachgefragten Fachkräften ein attraktives Karriere-Umfeld zu schaffen, das eine echte Alternative zur Managementlaufbahn ist? In der zweiten #FutureWorkDebatte 2024 gaben HR-Fachleute aus Tech-Unternehmen Einblicke in ihre strategischen Fachkarriereprogramme und diskutierten mit den Teilnehmenden, wie ein Biotop für Fachkarrierepfade auf Augenhöhe mit Managementkarrieren entstehen kann.
Thema: KI-Readiness – Wie werden Organisationen fit für KI?
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Susan-Stefanie Breitkopf, Mitglied des Vorstands und Chief Transformation Officer von ZEISS, ordnete zu Beginn die Brisanz des Fachkräftebedarfs für wachsende Unternehmen wie ZEISS ein: Eine große Zahl von Stellen konnte in den vergangenen Jahren erfolgreich besetzt werden, viele seien aber dennoch offen – vornehmlich in Ingenieurwissenschaften, IT und Servicetechnik. Entscheidend für den Erfolg sei zunächst ein reibungsloser und emotional ansprechender Recruiting-Prozess. Genauso reibungslos müsse aber auch die Entwicklung und Bindung der gewonnenen Kräfte funktionieren.
Mitarbeitende und ihre konkreten Ziele müssten von der Organisation wahrgenommen und auch in der horizontalen Entwicklung gezielt unterstützt werden – nicht nur in jener nach oben. Dazu zähle auch, einen individuellen Begleitungsgrad zu definieren, in engem Austausch zu bleiben und zu coachen. Coaching ziele nicht darauf ab, Defizite zu beseitigen, sondern im Gespräch das Bewusstsein für neue Dinge zu schaffen.
Dass es dabei um einen stark umkämpften und hochqualifizierten Personenkreis geht, ergänzte Georg von Erffa, Leiter Corporate Human Resources bei ZEISS. Die Auswahlkriterien für diese Fachkarrieren sind entsprechend strikt, so zähle beispielsweise neben Expertise und Eignung auch die Teilnahme an Forschungsprojekten zu den Voraussetzungen. Darüber hinaus komme es auf Ergebnis getriebene Faktoren an wie Problemlösung, Ideenführerschaft, aber auch Vernetzung, Vorbildfunktion und Sichtbarkeit in der Fach-Community. Das gelte besonders für die beiden oberen Entwicklungsstufen Senior Principal und Fellow.
Faszination für MINT-Karrieren fördern
Diese Anforderungen bestätigte Markus Fink, Executive Vice President und Chief Human Resources Officer bei Infineon Technologies. Ein gewisses Maß an „Happy Engineering“, also von Unternehmensentscheidungen unabhängigen kreativen Entwicklungsprojekten, sei aber dennoch zu berücksichtigen. Je weiter die Fachkräfte auf der bei Infineon „Technical Ladder“ genannten technischen Fachkarriere rückten, desto größer werden auch die Anforderungen in den Kompetenzbereichen – auch bezüglich der Sichtbarkeit über das Unternehmen hinaus.
Bislang schlägt lediglich knapp ein Fünftel der Beschäftigten eine Fachkarriere ein, darunter deutlich mehr Männer als Frauen. Hier, so Markus Fink, gelte es unternehmensübergreifend noch viel aufzuholen. Wirtschaft, Politik und Gesellschaft seien gleichermaßen gefragt, geeignete Rahmenbedingungen für ein Wachstum im MINT-Umfeld zu schaffen und früh die Faszination für Karrierewege – beispielsweise in der Halbleitertechnologie – zu wecken.
Bedarfe antizipieren, Exzellenz fördern und Durchlässigkeit ermöglichen
Markus Fink führte fort, wie wichtig es bei diesem hohen Grad der Qualifikation sei, kontinuierlich in Ausbildung, Re- und Upskilling sowie flexible Arbeitsbedingungen zu investieren. Auch regelmäßig in die Organisation hineinzuhören, um Bedarfe zu erkennen, könne unterstützen. Wie gleichwertig und durchlässig die Karrierewege dann sind – ob also ein Wechsel zwischen Management- und Fachkarriere möglich ist – könne maßgeblich über die Attraktivität von Fachkarrieren entscheiden.
Hier gebe es noch deutlich Luft nach oben, knüpfte Michael Lorenz an. Der Geschäftsführer der grow.up. Managementberatung attestierte deutschen Unternehmen nach wie vor ein spürbares Ungleichgewicht zugunsten der Managementkarriere. Seine Empfehlungen: Expertinnen und Experten kreative Freiräume zu schaffen und die Möglichkeit zu geben, mit motivierten und qualifizierten Teams zusammenzuarbeiten. Es zähle zu den klaren Management-Aufgaben, die Fachkräfte nachhaltig mit neuen und spannenden Herausforderungen zu versorgen und dabei dennoch zu erkennen, dass in manchen Unternehmenskulturen Wertschätzung auch mit einem entsprechenden Gehaltsniveau korreliert.
Die Freiräume für Entwicklung und Entfaltung der Exzellenz griff Susan-Stefanie Breitkopf am Beispiel generativer KI im Unternehmen auf. So würden die Expertinnen und Experten gezielt miteinander vernetzt. Das Ergebnis: Ein Biotop, in dem Thought Leadership durch Exzellenz-Entfaltung entstehen kann und das von einem unternehmenskulturellen Wertgerüstet umgeben ist.
Fachkarriere als Auszeichnung – und deren Zukunft
Während die Fachkarriere bisher überwiegend Forschung, Entwicklung und Innovation berücksichtigte, rückten zunehmend auch weitere Bereiche wie IT oder Service & Application in den Fokus der Fachkarrieren, so Georg von Erffa. Allerdings müssten Fachkarrieren sich auch weiterhin eine gewisse Exklusivität bewahren, um nicht beliebig zu werden und den Status als erstrebenswerte Auszeichnung zu halten.
Nach den fördernden Rahmenbedingungen wagten die Teilnehmenden abschließend einen Blick in die zukünftige Beschaffenheit der Fachlaufbahn. Etabliert müsse sie sein und einen hohen Qualifikationsgrad auf Seite der Fachleute und gleichermaßen des Managements aufweisen. Zudem solle sie multipel, verzahnter und kompetenzübergreifender werden – so lautete die zusammenfassende Wunschliste für ein Biotop, in dem zukünftige Fachkarrieren entstehen. Auch das Innovationsmanagement werde die Fachlaufbahn von morgen prägen. Langfristig gelte es, die fachliche Exzellenz zu pflegen, beständig auszubauen und miteinander zu vernetzen.
Mitschnitt der Debatte
Über die Debattenreihe Fit for Future Work
Wie gute Zusammenarbeit funktionieren kann und wie die Digitalisierung vom Schreckgespenst und mutmaßlichen Jobkiller zur Chance für gute Arbeit werden kann, bringen aktuelle Impulse des HR-Kreises auf den Punkt. In seiner Debattenreihe „Fit for Future Work“ stellt der HR-Kreis seine Thesen öffentlich zur Diskussion. Aktuelles und Positionen rund um die Debattenreihe in den sozialen Medien:
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