acatech verleiht Journalistenpreis PUNKT für Beiträge über Aerosole und die Rolle des Menschen im Anthropozän
26. November 2021
Wissenschaft verständlich und anschaulich auf den PUNKT bringen, dafür verleiht acatech jährlich den PUNKT – Preis für Technikjournalismus und Technikfotografie. Am 23. November wurden, im Rahmen der Veranstaltungsreihe „acatech am Dienstag“, herausragende Arbeiten in den Kategorien Multimedia und Foto ausgezeichnet. In der virtuellen Preisverleihung überreichte acatech Präsident Jan Wörner den Preis an Julius Tröger und Team (ZEIT ONLINE) in der Kategorie Multimedia sowie an die Fotografen Elias Holzknecht und Maximilian Glas.
Über die Kunst und ihre Rolle in der Wissenschaft
Der PUNKT-Journalistenpreis in der Kategorie Foto ging an Elias Holzknecht. Jan Wörner reichte den Pokal symbolisch unter Applaus und virtuellem Konfetti von Bildschirm zu Bildschirm. Der Fotograf Heiner Müller-Elsner hielt eine beschwingte Laudatio zu Elias Holzknechts Arbeit „Schnee von Morgen“ und stellte dessen Werdegang als Fotograf heraus. Elias Holzknechts fotografische Anfänge wurzeln im Klettersport, den er selbst aktiv betrieb, und entwickelten sich immer mehr zur Kletter- und Expeditionsfotografie. „Schnee von Morgen“ ist ein wichtiger Bestandteil seiner Arbeit, die stetig wächst. Beindruckt hat Elias Holzknecht mit der Vielschichtigkeit der Motive und zum Teil humorvollen Interpretation, der stringenten Auswahl des Sujets und deren Präsentation sowie dem vieldeutigen Titel der Arbeit, so Heiner Müller-Elsner. In der achtteiligen Fotoserie thematisiert der gebürtige Ötztaler das gesellschaftliche Verhältnis zu Schnee und den häufig damit verbunden Eingriff des Menschen in die Natur. Sichtbar wurde das für ihn insbesondere im kalten und doch niederschlagsarmen Winter 2016-17. Der Tourismus musste trotzdem stattfinden und der technische Eingriff des Menschen, wie durch Schneekanonen, wurde deutlich sichtbar. „Das waren Bilder, die man so im Prospekt nicht sehen konnte“, sagt Elias Holzknecht.
Den Eingriff des Menschen in die Natur thematisiert auch Fotostipendiat Maximilian Glas in seinem Projekt „Creatorem Terrae Et Caeli“. Die lateinischen Worte sind ein Auszug aus dem Apostolischen Glaubensbekenntnis, die Maximilian Glas „pfiffig“ umgedreht hat, sagt Laudator Heiner Müller-Elsner. „Der Schöpfer des Himmels und der Erde“ wird zum „Schöpfer der Erde und des Himmels“, womit er das Thema der Wettermodifikation durch den Menschen zum Ausdruck bringen will, bei der vor allem der Himmel große Bedeutung erlangt. Die Idee zum Projekt kam Maximilian Glas im Rahmen eines Studienprojektes in einem Kommunikationsforschungszentrum in Italien. Hier wurde aus einem spekulativen Designprojekt eine konkrete Idee. Die Juroren überzeuge die vielschichtige Recherche und die angestrebte Vielschichtigkeit des Themas, so Heiner Müller-Elsner. Maximilian Glas freut sich als „Wissenschaftsfan“ ganz besonders über den Preis und darüber, dass er die Chance bekommt dieses Projekt mit Hilfe des acatech Stipendiums umzusetzen. Für ihn haben „Kunst und Fotografie die gleiche Mission wie die Wissenschaft, die Welt besser zu verstehen und sich ein Bild von ihr zu machen.“
Den wissenschaftlichen Aspekt, der beide Arbeiten verbindet, greift Helmuth Trischler vom Deutschen Museum in seinem Impuls auf. Er spricht über das Anthropozän – den menschengemachten Klimawandel. Kann der Mensch Probleme, die er durch Technik erst geschaffen hat, auch mit derselben wieder lösen? Oder schafft er sich selbst ab und die „Spezies Technik“ überlebt den Homosapiens? Ebendies sind auch Fragen, die die Kunst beschäftigen, so Trischler. Er betont hier die Relevanz der Zusammenarbeit zwischen Kunst und Wissenschaft, um dieses Zeitalter besser zu verstehen und zum Ausdruck zu bringen.
Den aktuellen Stand der Wissenschaft abbilden
Etwas wichtiges zum Ausdruck bringen, dass wollten auch Julius Tröger und das Team um ZEIT ONLINE. In Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Chemie entwickelten sie einen interaktiven Aerosol-Rechner, bei dem Parameter wie etwa die Größe des Raumes, die Anzahl der sich darin befindlichen Menschen sowie unter anderem das tragen der unterschiedlichen Maskenarten einstellbar sind. Nicola Balkenhol (Deutschlandradio) lobte in ihrer Laudatio vor allem die Nutzerfreundlichkeit und leicht verständliche Aufarbeitung des Beitrags. Ihr selbst ist bei der ersten Nutzung im letzten Jahr der persönliche AHA-Moment in Erinnerung geblieben, bei dem sie dachte: „So viel hilft das Tragen einer FFP2 Maske?“. Neben fachlich erstklassiger Aufarbeitung der Fakten lobt sie weiterhin das Kommunikationsmanagement, indem das ZEIT ONLINE Team die Fragen der User im Kommentarbereich beantwortet. In der heutigen Zeit von Unsicherheiten und Falschinformationen keinesfalls eine leichte Aufgabe. Tröger betont in diesem Zusammenhang auch die enge Zusammenarbeit im Team und die Herausforderungen die komplexen Sachverhalte anschaulich und dennoch ausführlich genug dazustellen.
Dass die kleinen, für das menschliche Auge unsichtbaren Aerosole nicht nur bei der Ausbreitung von Coronaviren eine Rolle spielen, erklärt Katharina Kohse-Höinghaus (Universität Bielefeld) in ihrem Impuls und setzt damit den Beitrag des ZEIT ONLINE Teams in wissenschaftlichen Kontext. So findet man sie beispielsweise bei Inhalatoren für Asthmatiker oder bei der Zerstäubung von Flüssigkeiten für technische Prozesse. Feinstaub wiederum sei ein Beispiel für ein klimawirksames Aerosol, das erwärmend oder kühlend wirken könne, sagt die Wissenschaftlerin. Die Aerosolforschung kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. So war es möglich, kurzfristig die komplexen Ausbreitungsmodelle zu erstellen, auf denen der preisgekrönte Beitrag aufbaut.
Über gesellschaftliche Kommunikation
Mit der Veröffentlichung von journalistischen Beiträgen, in denen Wissenschaft im Fokus steht, kommen bei vielen Leserinnen und Lesern Fragen auf – sowohl inhaltliche als auch kritische. Den Austausch mit der ZEIT Community empfinden Julius Tröger und sein Team als sehr relevant und überwiegend positiv. Sie schätzen und pflegen den Austausch in den Kommentaren und können hilfreiche Kritik auch zeitnah umsetzen. Auch Nicola Balkenhol stellt heraus, dass es auch unter kritischen Kommentaren immer wieder Fälle gibt, in denen „nicht zu Ende gedachte“ Ansichten richtigstellt und Menschen mit Aufklärung erreicht werden können. Trotz aller guten Aufklärung, die in den Medien geleistet wird, ist sich Katharina Kohse-Höinghaus sicher: „Es braucht mehr direktes Gespräch“, und meint damit den direkten Austausch, außerhalb der eigenen wissenschaftlichen Blase. Einig waren sich alle darin, dass das Interesse an Wissenschaft und seriöser Wissenschaftskommunikation seit der Corona-Pandemie gestiegen ist. Dass das so bleibt wünscht sich nicht nur das Team vom Journalistenpreis PUNKT sondern auch die Gäste der Preisverleihung.
Nach dem PUNKT ist vor dem PUNKT: Die Ausschreibung für die Kategorie Text startet im Frühjahr 2022.