Künstliche Photosynthese: Die Vision – und ein Weg dorthin
München, 27. Oktober 2023
Wie kann die chemische Industrie klimafreundlicher gestaltet und die Nutzung fossiler Rohstoffe reduziert werden? Die Natur macht es uns vor: Pflanzen gelingt es mit Photosynthese, aus Sonnenlicht und CO2 wertvolle Stoffe herzustellen. Das Industrieprojekt Rheticus nimmt diesen Prozess als Vorbild, kombiniert dabei Elektrolyse und Biokatalyse. Thomas Haas, Evonik Creavis, erläuterte diesen Prozess am 24. Oktober bei acatech am Dienstag in Kooperation mit vhs.wissen live und zeigte anschaulich, welche Produkte auf diese Weise hergestellt werden können. Es zeigte sich: Die Künstliche Photosynthese kann die natürliche Photosynthese sogar übertreffen, was die Energieeffizienz und den Wasserverbrauch angeht.
Mitschnitt des Vortrags
Dauer: 1 Stunde 4 Minuten 13 Sekunden
Bis Minute 37:45 Vortrag von Thomas Haas, Rheticus-Projektleiter bei Evonik Creavis
Ab Minute 38:00 Beantwortung von Fragen aus dem Publikum
Künstliche Photosynthese sei bei acatech seit zehn Jahren ein Thema, zu dem verschiedene Publikationen entstanden sind, sagte Jan Wörner in seiner Begrüßung. In der Akademienpublikation „Künstliche Photosynthese. Forschungsstand, wissenschaftlich-technische Herausforderungen und Perspektiven“ aus dem Jahr 2018 wird die Künstliche Photosynthese dabei wie folgt definiert:
„Die Künstliche Photosynthese dient der Produktion chemischer Energieträger und Wertstoffe unter Verwendung von Sonnenlicht als einziger Energiequelle in integrierten Apparaten und Anlagen.
Die besondere Stärke des Ansatzes liegt dabei in der Bereitstellung von erneuerbarer Energie in stofflich gespeicherter sowie lager- und transportierbarer Form.
Hierfür wird ein zentrales Prinzip des biologischen Vorbilds nachgeahmt: die Kopplung von lichtinduzierten Ladungstrennungen mit katalytischen Prozessen für die Produktion energiereicher Verbindungen.“
acatech et al. (Hrsg.) (2018): Künstliche Photosynthese. Forschungsstand, wissenschaftlich-technische Herausforderungen und Perspektiven, S. 9
Thomas Haas, Experte des Abends und Leiter des BMBF-geförderten Rheticus-Projekts bei Evonik Creavis, ging zu Beginn seines Vortrags kurz auf die pflanzliche Photosynthese ein, die die Grundlage für die Künstliche Photosynthese bildet. Die Photosynthese läuft in den Blättern der Pflanzen ab und ist eine chemische Reaktion, bei der Wasser (H2O) und Kohlenstoffdioxid (CO2) von der Pflanze aufgenommen und mithilfe der Energie des Sonnenlichts zu Sauerstoff (O2) und Glucose (C6H12O6) umgewandelt werden, sagte er. Da die Pflanze ca. 200 kg Wasser brauche, um ein Kilogramm CO2 aufzunehmen, funktioniere der Prozess nicht in trockenen Gebieten. Dennoch sei der Prozess der Photosynthese selbst so perfekt, dass der Mensch ihn nicht besser machen könne. Für die industrielle Nutzung müsse jedoch der Wasserverbrauch und die Energieeffizienz verbessert werden.
Die innovative Technologie von Rheticus
Hier setzt die innovative Technologie von Evonik und Siemens Energy mit dem gemeinsamen Forschungsprojekt Rheticus an. Ziel sei eine effiziente und leistungsfähige Versuchsanlage, die Spezialchemikalien aus Kohlendioxid und Wasser sowie Strom aus erneuerbaren Quellen und Bakterien erzeugt, sagte Thomas Haas. Die Anlage bestehe aus einem Elektrolyseur sowie aus vielen Stahlrohren, darunter einem Bioreaktor. Im Elektrolyseur werde Wasser mit Strom in Wasserstoff umgewandelt. Diesen Wasserstoff und CO2 wandeln Bakterien in einem Bioreaktor zu Chemikalien um. Die aufgereinigten Chemikalien werden weiter umgewandelt in Kohlendioxidbasierte Produkte. Ziel sei es, der Atmosphäre Kohlendioxid zu entziehen – Kohlendioxid ist einer der Haupttreiber des Klimawandels – und mit den Kohlendioxidbasierten Produkten erdölbasierte Produkte zu ersetzen. Ein weiterer hervorzuhebender Vorteil dieses Verfahrens sei laut Thomas Haas der Umstand, dass in diesem Produktionsprozess keine Wärme als Nebenprodukt entstehe.
Produkte aus der Künstlichen Photosynthese
Mit Hilfe der künstlichen Photosynthese lässt sich eine breite Palette von Produkten herstellen, sagte Thomas Haas. Darunter zum Beispiel Öladditive und biologisch abbaubare Schmiermittel für Motoröl, Waschmittel sowie kosmetische Stoffe für Shampoo oder Crèmes. Als mögliche Produkte nannte Thomas Haas Tiernahrung und Lackrohstoffe. Zu beachten sei, dass die aus der künstlichen Photosynthese gewonnenen Produkte in etwa doppelt so teuer seien, wie die herkömmlichen ölbasierten Produkte. Darum sei es wichtig, Kunden und Anbieter zu finden, die bereit sind, den höheren Preis zu zahlen und Märkte zu generieren, die diese neuen Produkte benötigen und kaufen.
Weiterführende Informationen
- Video „Learning from Leaves“ aus der Zeitschrift „Nature“
- Creavis-Website