Lebenslanges Lernen in Unternehmen: acatech stellt Good-Practice-Beispiele vor
München, 20. Februar 2020
Wie versuchen große Unternehmen, ihre Beschäftigten auf dem Weg in die digitale Arbeitswelt von morgen zu unterstützen? Der HR-Kreis von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften stellt in einem neuen Bericht 14 Beispiele vor, wie innovative Lernplattformen und -tools für die Weiterbildung eingesetzt werden. Die Beispiele machen deutlich: Viele Unternehmen haben das Thema Lebenslanges Lernen längst als wichtigen Erfolgsfaktor erkannt, um in der digitalen Transformation zu bestehen.
Ob Deutsche Bahn, BMW, Otto Group oder SAP – die 14 Good-Practice-Beispiele aus dem heute erschienenen acatech Bericht belegen eindeutig: Viele Unternehmen sind auf dem Weg, Lebenslanges Lernen noch strategischer zu fördern und im Zuge dessen einen Wandel zu vollziehen – hin zu einer Kultur, die selbstbestimmtes, arbeitsintegriertes und kontinuierliches Lernen ermöglicht. Dabei setzen die Unternehmen auf digitale Lerntechnologien, mit deren Hilfe Beschäftigte spielerisch und bedarfsorientiert lernen können und die es erlauben, den eigenen Wissens- und Kenntnisstand zu ermitteln und individuelle Entwicklungspotenziale zu bestimmen. Einige Beispiele:
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- „DB Lernwelt“ (Deutsche Bahn):
Mit der DB Lernwelt hat die Deutsche Bahn im Jahr 2018 ihre erste unternehmensweite digitale Lernplattform geschaffen und damit den Versuch unternommen, eine neue Lernkultur zu begründen. Neue Formen des Lernens stehen im Mittelpunkt – weg von einem eher direktiv gesteuerten und maßnahmenbezogenen Lernen im Seminarraum, hin zu einem selbstgesteuerten und eigenverantwortlichen Lernen. Konkret heißt das: Alle Beschäftigungsgruppen des Unternehmens können orts- und zeitunabhängig von verschiedenen Endgeräten aus auf kostenfreie multimediale Lerninhalte zugreifen. Über „Fitness-Checks“ können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schließlich ihren persönlichen Wissensstand in Bezug auf bestimmte Themen ermitteln und sich darauf aufbauend vom System entsprechende Lernempfehlungen geben lassen. Im Video geht DB-Personalvorstand Martin Seiler näher auf die Idee der Plattform ein:
- „DB Lernwelt“ (Deutsche Bahn):
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- „BMW TalentFactory“ (BMW Group):
Vor dem Hintergrund der digitalen Transformation in der Automobilindustrie hat die BMW Group ihre Berufsausbildung neu ausgerichtet: Agile Arbeitsmethoden, Projektarbeit und innovative Methoden sind die Kernelemente, die die Berufsausbildung künftig prägen werden. Um praxisnahes, eigenverantwortliches Lernen wie auch Kollaboration und Kreativität in der Lösungsfindung noch stärker zu fördern, hat das Unternehmen die TalentFactory eingeführt. In ihrem ersten Ausbildungsjahr arbeiten dort reguläre Auszubildende und dual Studierende in interdisziplinären Teams wie in einem Startup zusammen und entwickeln Produkte und Dienstleistungen für Fachabteilungen und externe Kunden. Lernen findet dadurch prozessübergreifend und kontinuierlich „on the job“ statt. Hinterfragen, Ausprobieren oder Fehlermachen sind dabei ausdrücklich erwünscht. - „TechUcation“ (Otto Group)
Wie die Plattform funktioniert, erklärt Petra Scharner-Wolff, Vorständin bei der Otto Group, im Video:
- „BMW TalentFactory“ (BMW Group):
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- youlearn (Deutsche Telekom AG)
Die Deutsche Telekom möchte mit dem Projekt youlearn ein selbstgesteuertes, bedarfsgerechtes Lernen „on the Job“ ermöglichen. Wie das konkret funktioniert, erklärt Vorständin Birgit Bohle im Videostatement:
- youlearn (Deutsche Telekom AG)
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- Konzerninitiative Certified (Deutsche Post DHL Group)
Die Deutsche Post DHL Group möchte weltweit als erstes global operierendes Unternehmen jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter zertifizieren. Warum das sinnvoll ist und wie die Inititiative im Unternehmen umgesetzt wird, erklärt Personalvorstand Thomas Ogilvie in einem kurzen Video:
- Konzerninitiative Certified (Deutsche Post DHL Group)
Lebenslanges Lernen ist „kritischer Erfolgsfaktor“
„Der Fortlauf der digitalen Transformation ist ungewiss, ein Ende nicht absehbar. Gerade deshalb ist es wichtig, dass Beschäftigte Problemlösekompetenzen, Kreativität und agile Mindsets ausprägen, damit sie mit häufig wechselnden Herausforderungen zurechtkommen“, so acatech Präsident Dieter Spath, der Gastgeber des HR-Kreises ist. „Unsere gesammelten Beispiele zeigen, dass die Weiterbildungsangebote von Unternehmen auf dieses Ziel hin ausgerichtet sind. Das Thema Lebenslanges Lernen ist also in den Führungsetagen als kritischer Erfolgsfaktor für die digitale Transformation erkannt worden. Wir werden uns mit dem HR-Kreis weiterhin mit diesem Schlüsselthema auseinandersetzen.“
Bericht verdeutlicht Perspektive der Wissenschaft und zeigt politische Handlungsoptionen auf
Neben Steffi Robak von der Leibniz Universität Hannover sowie Christoph Höllig und acatech Mitglied Isabell Welpe von der TU München hat auch acatech Mitglied Manfred Prenzel, Bildungsforscher an der Universität Wien, für den HR-Kreis-Bericht das Thema Lebenslanges Lernen aus wissenschaftlicher Perspektive beleuchtet. Er sagt: „Der Umgang mit Ungewissheit kann als ganz besondere Herausforderung der digitalen Transformation betrachtet werden – auch deshalb, weil er mit kognitiven, emotionalen und motivationalen Prozessen verbunden ist. Um Beschäftigte beim Lebenslangen Lernen zu unterstützen, ist es daher zentral, den Lernenden Orientierung zu geben. In einigen der dargestellten Beispielen wird diese Herausforderung aufgegriffen und sehr ernst genommen.“
Über die Praxisbeispiele hinaus enthält der Bericht Handlungsoptionen für die Politik:
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- Nationales Kompetenz-Monitoring: Ein regelmäßiges Nationales Kompetenz-Monitoring soll Erkenntnisse darüber bringen, welche Kompetenzen zur Sicherung der Innovationsfähigkeit Deutschlands gebraucht werden.
- Hochschulen als Weiterbildungsanbieter: Die staatlichen Hochschulen sollten in ihrer sogenannten dritten Mission gestärkt werden, um qualitativ hochwertige Angebote für Lebenslanges Lernen entwickeln und ausbauen zu können. Die Angebote sollten dabei nicht nur auf Akademikerinnen und Akademiker abzielen.
- Weiterbildungs-Bafög: Ein Bafög für die Weiterbildung könnte insbesondere für Beschäftigte, die nur über ein geringes Einkommen verfügen und deren Tätigkeiten mit einem hohen Risiko des Jobverlusts verbunden sind, von großem Interesse sein. Über einen Ideenwettbewerb unter den 13 großen Studienförderwerken in Deutschland ließe sich ein tragfähiges Konzept entwickeln.
- Förderprogramme erweitern: Förderprogramme im Bereich Forschung und Innovation (FuI) sollten gezielt um Verwertungsaspekte für die Qualifizierung erweitert werden. Das heißt, bereits in den Ausschreibungen sollten von den förderwilligen Unternehmen Qualifizierungskonzepte eingefordert werden, die von einem Teil der Fördersumme entsprechend finanziert werden.
- Wissensweitergabe fördern: Um die systematische Wissensweitergabe von Führungskräften an andere Unternehmensmitglieder zu sichern, richten größere Unternehmen heute Akademien ein. Für Klein- und Mittelständler gestaltet sich die Ausgründung eigener Akademien dagegen bislang schwierig. Eine staatliche Fördermaßnahme sollte ihnen einen stärkeren Impuls geben, hier entsprechende Konzepte auszuarbeiten und umzusetzen.
- Steuerliche Förderung Lebenslangen Lernens: Bildungsgutscheine sollten steuerlich gefördert oder gar steuerbefreit werden – und zwar anders als bislang auch dann, wenn das entsprechende Bildungsangebot nicht „nur im überwiegenden betrieblichen Interesse des Arbeitgebers“ liegt.
- Nationales Weiterbildungs-Monitoring: Um den Erfolg der politischen und privaten Bemühungen im Bereich Lebenslanges Lernen zukünftig besser bewerten und Maßnahmen effektiv nachsteuern zu können, empfiehlt der Arbeitskreis ein wissenschaftlich gestütztes und gemeinsam mit den Sozialpartnern konzipiertes Monitoring.
- Potenziale intelligenter Lernsysteme heben: Der Einsatz intelligenter Lernsysteme, die den Prozess der Personalisierung von Wissensvermittlung unterstützen, sollte verstärkt werden. Gerade die Künstliche Intelligenz eröffnet hier neue Perspektiven.