Parolen? Menschlichkeit!
22. Januar 2024
Schon seit geraumer Zeit werden in Deutschland wieder Parolen geäußert, die an den verhängnisvollsten Teil unserer Geschichte erinnern. Dabei wird sogar wieder rassistisches Gedankengut publiziert und durch billige und schlimme Argumente versucht, der Gesellschaft weiszumachen, dass uns die Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen, schaden und sogar schaden wollen. In dieser Situation wird dann Angst um Arbeitsplätze und Sicherheit geschürt. Auf der anderen Seite wird der Fachkräftemangel adressiert und darauf verwiesen, dass wir die Migrantinnen und Migranten als Arbeitskräfte benötigen.
So einfach wie die Argumente klingen, so schädlich sind sie für unsere demokratische und soziale Gesellschaft. Es ist verwerflich und dumm, die in Verzweiflung und gleichzeitiger Hoffnung nach Europa und Deutschland kommenden Menschen als Sicherheitsgefahr abzustempeln. Ich kenne keine Statistik über die Kriminalitätsraten von Menschen aus verschiedenen Ländern und möchte auch keine Statistik aufstellen, um danach Menschen zu diskriminieren. Dies gilt gleichermaßen für Menschen, die zu uns kommen und jene, die in Deutschland, in Europa wohnen.
Aber auch die Argumentation der „Nützlichkeit“ von Migrantinnen und Migranten wegen des Fachkräftemangels klingt für mich nicht wirklich positiv: In den sechziger Jahren wurden „Gastarbeiter“ angeworben, um den deutschen Aufschwung zu realisieren. Als der Aufschwung vorbei war, waren es genau diese Menschen, denen das „Gastrecht“ dann wieder versagt wurde.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich freue mich über jede und jeden, der nach Deutschland oder Europa kommt und hier eine Arbeitsstelle erhält.
Aber sowohl die Diskriminierung als auch die rein auf Nützlichkeit ausgerichtete Position gehen in der Substanz an einer sozialen, Menschenwürde beachtenden Politik vorbei: Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland adressiert schon im Artikel 1 die Würde jedes einzelnen Menschen und macht keinen Unterschied zwischen verschiedenen Nationalitäten, Herkunft, persönlicher Orientierung, Hautfarbe, Religion, Alter, aber auch nicht zwischen reich und mittellos, zwischen Erwerbstätigen und Arbeitslosen.
Viele Menschen, die nach Europa und Deutschland kommen, tun dies, weil ihnen die Verhältnisse zuhause – an denen die Politik der reichen Industrieländer in vielen Fällen durchaus Verantwortung trägt – ein Leben in Freiheit, Entfaltung und Wohlstand nicht zulassen. Viele Menschen sind in der Vergangenheit von Europa ausgewandert, um beispielsweise in den Vereinigten Staaten, in Kanada oder in Australien ihren persönlichen Weg zu suchen. Heute werden die Ausgewanderten von damals häufig genug als Beispiel für persönlichen Einsatz „vom Tellerwäscher zum Millionär“ bewundert. Warum wollen wir diese Chance nicht auch Menschen geben, die sich in Europa eine bessere Zukunft erhoffen? Und natürlich ist es prima, wenn wir dadurch mehr kulturelle Vielfalt erleben und auch in Forschung, Entwicklung und Arbeitsleben zusätzliche, motivierte Menschen als Teil unserer Gesellschaft erleben können. Als Generaldirektor der ESA habe ich die Kraft der Vielfalt und Diversität hautnah erleben dürfen.
Weg mit den Parolen, her mit mehr Menschlichkeit!