Produktivitätsdialog führender Wissenschafts- und Wirtschaftsvertreterinnen und -vertreter aus Japan, Deutschland und USA
Berlin, 10. Oktober 2023
Japanische, deutsche und amerikanische Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft diskutierten am 4. Oktober 2023 in Tokio, Japan über Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit. Sie sehen die Produktivität als eine Schlüsselgröße, die nicht nur darüber entscheidet, ob ein neuer Arbeitsplatz entsteht. Sie bestimmt auch wesentlich über den Wohlstand einer Gesellschaft. Im Zeitalter der Digitalisierung hat das Produktivitätswachstum in den etablierten Industriestaaten stagniert, beziehungsweise ist nur leicht angestiegen. Aufgrund der demografischen Entwicklung ist dies auch für Deutschland und Japan problematisch. Die Expertinnen und Experten beurteilen den Rückgang des Produktivitätswachstums als ein maßgebliches Risiko der Wettbewerbsfähigkeit der international tätigen Industriekonzerne.
Zur Diskussion von Produktivität im digitalen Zeitalter organisierte das Japan Productivity Center in Kooperation mit acatech, dem MÜNCHNER KREIS sowie dem Deutsch-Japanischen Wirtschaftskreis ein Forum für ausgewählte Vorstandsmitglieder renommierter deutscher, japanischer und amerikanischer Unternehmen. Jan Wörner, acatech Präsident, Michael Dowling, acatech Mitglied und Vorstandsvorsitzer Münchner Kreis sowie Wilfried Breuer, Geschäftsführer der Maschinenfabrik Reinhausen nahmen als deutsche Vertreter am Dialog teil.
In seiner Keynote unterstrich Jan Wörner, dass die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft ein wichtiger Treiber für Wachstum und Wohlstand sei. Deutschland, so Wörner, hat in den vergangenen Jahrzehnten wie kaum eine andere europäische Volkswirtschaft von der Liberalisierung des Handels sowie der wachsenden internationalen Arbeitsteilung profitiert. Jedoch stellen aus seiner Sicht zunehmende Abhängigkeiten das handelsorientierte Wirtschaftsmodell Deutschlands insbesondere im Bereich der Energieversorgung und der Versorgung mit kritischen Rohstoffen vor neue Herausforderungen. Angesichts der geopolitischen Veränderungen, die sich etwa im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und dem angespannten Verhältnis zwischen einigen westlichen Volkswirtschaften und China manifestieren, stellt sich die Frage, wie die strategische Autonomie gestärkt werden kann, ohne die außenwirtschaftliche Offenheit einzuschränken. Er sieht eine Diversifizierung der Lieferketten als einen wichtigen Punkt, um Abhängigkeiten zu reduzieren und die Resilienz der Wertschöpfungsketten zu erhöhen. Dabei stelle die privatwirtschaftliche Verantwortung eine wichtige Grundlage dar, aber auch insbesondere strategische Allianzen mit Staaten, die europäische Werte und Prioritäten in den Bereichen Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit teilen, können einen maßgeblichen Beitrag leisten. Daher appelliert er an Offenheit für Partnerschaften mit Drittstaaten, nicht zuletzt in Bezug auf globale öffentliche Güter, wie etwa Klimaschutz oder öffentliche Gesundheit.
Michael Dowling beschreibt in seiner Eröffnung, dass Unternehmen aktuelle Megatrends wie die Digitalisierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt als Chancen begreifen müssen, um so ihre Wettbewerbsfähigkeit auch zukünftig zu sichern. Vor allem die rasant voranschreitende Vernetzung der Wertschöpfungsketten in der industriellen Produktion bieten Unternehmen die Möglichkeit, neue Innovationspotenziale zu erschließen. Im Zeitalter von Industrial Internet of Things entstehen durch die Digitalisierung von Fertigungsanlagen Smart Factories. Die dabei kontinuierlich erfassten Daten werden fortfolgend in die Informationssysteme und Geschäftsprozesse des jeweiligen Unternehmens integriert. Zu Begegnung der digitalen Transformation und Vernetzung sowie der Nutzung der kontinuierlichen Datenerfassung und -speicherung gilt es für Unternehmen, zunehmend neue digitale Geschäftsmodelle und Formen der interorganisationalen Zusammenarbeit in den Fokus zu stellen. Traditionelle Wertschöpfungsketten müssen aufgeweicht und zu netzwerkartigen Systemen aus Unternehmen, Lieferanten, Kunden und sogar direkten Konkurrenten architektiert werden. Nur so kann es gelingen, in einer plattformzentrierten Marktstruktur die interdependenten Akteursgruppen miteinander zu verbinden und somit die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu sichern.
Wilfried Breuer konzentrierte sich in seinen Ausführungen auf ein konkretes Beispiel zum Produktivitätswachstum. Er referierte, dass Elektrizität das Rückgrat der künftigen grünen Industrie sein wird. Aus seiner Sicht spielen die Digitalisierung und der Einsatz smarter Anlagen eine große Rolle beim Produktivitätswachstum von Netzbetreibern. Insbesondere intelligent vernetze Anlagen, die auf Edge-Computing-Funktionen basieren, können die Zuverlässigkeit erhöhen sowie den Wartungsaufwand reduzieren. Jedoch sieht er die dringend nötige Digitalisierung von Stromnetzen durch traditionelle organisatorische Rahmenbedingungen gefährdet und plädiert daher für ein Umdenken.
Japanische und amerikanische Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer von bspw. ANA, IGPI, Hitachi, Dai-Ichi Life Insurance und IBM Corporation haben die Herausforderungen und Chancen, denen sie gegenüberstehen, aus ihrer jeweiligen Sicht beleuchtet. Die Kooperationspartner haben das Ziel erklärt, aus der Diskussion über aktuelle Herausforderungen zum Thema Produktivität, Handlungsoptionen und Empfehlungen für ein Produktivitätswachstum in den Ländern zu entwickeln.