TechnikRadar 2023: Präsentation in Stuttgart
München, 28. Juni 2023
Am 20. Juni fand in Stuttgart der Tag der Nachhaltigkeit der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) statt. Ein passender Rahmen für die Vorstellung des TechnikRadar 2023 – Nachhaltiges Bauen und Wohnen, einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage von acatech, Körber-Stiftung und dem ZIRIUS – Zentrum für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung der Universität Stuttgart. Mehr als 200 Zuhörerinnen und Zuhörer verfolgten die Ergebnispräsentation von Projektleiterin Cordula Kropp und die daran anknüpfende Podiumsdiskussion.
Seit 2018 erhebt das TechnikRadar die Einstellungen der Deutschen zur Technik – nicht nur allgemein, sondern auch mit Blick auf ihre konkrete Ausgestaltung, so Matthias Mayer, Leiter Bereich Wissenschaft bei der Körber-Stiftung, in seinem Grußwort. Über diese „konkreten Utopien“, so drückte er es in Anlehnung an Ernst Bloch aus, solle an diesem Abend diskutiert werden.
Projektleiterin Cordula Kropp von ZIRIUS hob zunächst hervor, dass die Ergebnisse der Studie nicht unter dem Eindruck der hitzigen Heizungsdebatten der letzten Wochen entstanden seien. Vielmehr habe man die repräsentative Umfrage bereits im Herbst 2022 durchgeführt.
Neben den Einstellungen der Deutschen zum Schwerpunktthema „Bauen und Wohnen“ wurden im TechnikRadar 2023 auch wieder allgemeine Fragen zur Technikwahrnehmung gestellt. Gefragt nach dem wichtigsten Zukunftsthema sehen die Studienteilnehmenden seit der ersten Ausgabe des TechnikRadar die Sicherung von Arbeitsplätzen auf dem ersten Rang, und zwar in allen Altersgruppen.
Auch zeigt die Befragung eine relativ hohe Wichtigkeit energiepolitischer Zukunftsaufgaben, wie eine größere Unabhängigkeit von Energieimporten und die Reduktion des Energieverbrauchs. Konkreter nachgefragt scheinen den Deutschen diese Themen durchaus präsent zu sein, denn auch die abgefragte Nutzenbewertung verschiedener Maßnahmen zeigt deutlich, dass gerade bei den erneuerbaren Energien, der Sanierung von Gebäuden und bei umweltfreundlichen Verkehrsmitteln ein besonders positiver Nutzen wahrgenommen wird.
Wie sich die Umsetzung solcher Techniken gestaltet, dazu wünschen sich 67 Prozent der Deutschen mehr Mitsprache, insbesondere Ältere und Geringverdienende. Um dem Gestaltungswillen in der Bevölkerung gerecht zu werden, müsse von der Politik eine aktive Trägerschaft bzw. aktive Teilhabe der Bevölkerung aufgebaut werden, anstatt lediglich auf Akzeptanz von Maßnahmen zu setzen oder gar die Bevölkerung als „Mitfahrende im Taxi“ zu sehen, die nur „abgeholt“ oder „mitgenommen“ werden müssen, ohne zu wissen, wo das Ziel ist, so acatech Präsident Jan Wörner in der weiteren Diskussion.
Darüber hinaus erhob das TechnikRadar die Wohnwünsche der Deutschen. „Preis“, „Wohnen im Grünen“ oder „Energieeffizienz“ – diese Bewertungskriterien sind ihnen hier am wichtigsten. So weit, so erwartbar, auch für Diskussionsteilnehmerin Andrea Lindlohr, Staatssekretärin im Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg. Dass die Nähe zum Stadtzentrum nur von nachrangiger Bedeutung ist, war für sie und ihre Mitdiskutanten jedoch überraschend.
Im weiteren Verlauf des Gesprächs wurde ein Dilemma der aktuellen öffentlichen Debatte deutlich: Zwar lässt sich aus den TechnikRadar-Ergebnissen herauslesen, dass die Bevölkerung durchaus bereit ist, im Bereich Energie Sanierungen durchzuführen, Investitionen zu tätigen oder den eigenen Verbrauch zu reduzieren. Jedoch bleibt fraglich, inwiefern diesen Absichten auch Taten folgen können: Ein Großteil der Bevölkerung gibt an, nicht über das Budget zu verfügen, um energiesparende Maßnahmen umzusetzen. Ein durchschnittlicher Betrag von 13.250 Euro über zehn Jahre für die energetische Sanierung reiche bei Weitem nicht aus, um eine PV-Anlage zu installieren oder die Heizung auszutauschen, so Studienleiterin Cordula Kropp.
Die Gäste im Publikum konnten im Vorfeld der Veranstaltung an einer Umfrage teilnehmen und selbst drei Fragen aus der Befragung des TechnikRadar beantworten. Sowohl die Bewertung des Nutzens bzw. des Risikos von Maßnahmen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme als auch die Folgen des Einsatzes von Baurobotern wurde vom Fachpublikum größtenteils ähnlich bewertet wie von der Gesamtbevölkerung. Deutlich auffälliger waren die Unterschiede bei der Bereitschaft, eigene Mobilitäts-, Energie- und Gebäudedaten in anonymisierter Form weiterzugeben, damit diese zum Beispiel für sogenannte Smart City-Anwendungen ausgewertet und aufbereitet werden können, wodurch unter anderem stadtplanerische Prozesse erleichtert und beschleunigt werden sollen. Hier stimmten die Anwesenden im Durchschnitt deutlich stärker zu als die Gesamtbevölkerung. Auch zeigte das Fachpublikum ein deutlich größeres Interesse daran, einen Einblick in diese Daten zu erhalten, da ein solcher Zugriff die Bearbeitung von Aufträgen besser mit der Umsetzung vor Ort verknüpfen kann.
Im zweiten Teil des Podiumsgesprächs ergänzten Klaus Beckmann, Verkehrsforscher und acatech Mitglied, und Christine Lemaitre, Vorstand DGNB, die Runde und diskutierten darüber, welche Handlungsoptionen sich aus den Ergebnissen ableiten lassen. Hierbei wurde deutlich, dass ein Umgang mit der beobachteten sogenannten Attitude-Behavior-Gap, also das Auseinanderklaffen von Einstellung und Verhalten, gefunden werden muss. Die Verantwortung könne in diesem Zusammenhang nicht allein auf die Bürgerinnen und Bürger übertragen werden, hieß es aus der Runde. Diesen müsse zwar Fort- und Weiterbildung ermöglicht werden, jedoch seien insbesondere Hersteller und Unternehmen in der Pflicht, besser aufzuklären und Orientierung zu geben.
Jan Wörner schloss die Diskussion damit, dass die im TechnikRadar nachgewiesene Handlungsbereitschaft der Bevölkerung nun von der Politik als Chance begriffen werden müsse, um die Veränderungen in den Bereichen Wohnen, Bauen und Energie voranzubringen.