Wege in eine umweltschonende Stickstoffwirtschaft
Halle (Saale), 13. Mai 2019
Wie sich ein umweltschonender Umgang mit Stickstoff in der Agrarwirtschaft gestalten lässt und wo aktuell Hemmnisse auf dem Weg dorthin liegen, diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Symposiums „Wege in eine Nachhaltige Stickstoffwirtschaft“ am 6. Mai in Halle (Saale). Ein Großteil der Referentinnen und Referenten sprach sich dafür aus, dass eine ökologische Intensivierung künftig eine zentrale Rolle spielen sollte.
Jörg Hacker, Präsident der Leopoldina, betonte in seiner Begrüßung, dass Düngemittel ein unverzichtbarer Bestandteil der modernen Landwirtschaft sind. Geraten zu große Mengen in die Umwelt, haben sie jedoch Nebeneffekte. Dazu zählen die Nitratverunreinigung von Trinkwasser und die Auswirkungen der Überdüngung auf die Biodiversität. Der Präsident der Leopoldina lud dazu ein, zu diskutieren, wie ein umweltschonender Umgang mit Stickstoff in der Agrarwirtschaft gestaltet werden kann.
acatech Vizepräsident Reinhard F. Hüttl umriss anschließend die Stickstoffproblematik in der deutschen Agrarwirtschaft. Er betonte, dass nachhaltige landwirtschaftliche Produktion möglich und notwendig ist. Der Schlüssel dazu liegt in wissenschaftsbasierten Rahmenbedingungen und Maßnahmen. Im Anschluss daran sprach Ernst Detlef Schulze vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie über Stickstoff im Ökosystem. Das meiste Nitrat im Grundwasser in Deutschland stammt aus der Landwirtschaft. Darüber hinaus tragen auch natürliche Prozesse in Wäldern zur Nitratproduktion bei, wobei generell die Vielfalt an Bodentypen einen starken Einfluss auf die Nitratauswaschung hat.
Wenn gleichermaßen Umweltziele und die Sicherung der Welternährung erreicht werden sollen, erläuterte Friedhelm Taube von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, dann ist ein Paradigmenwechsel hin zur ökologischen Intensivierung notwendig. Landwirtschaft 4.0 und weitere technologische Ansätze können dabei ein taktisches Werkzeug auf diesem Pfad sein, die strategische Lösung stellen sie jedoch nicht dar. Unterstützen würde Friedhelm Taube eine Gemeinwohlprämie, die Umweltleistungen der Landwirtschaft einen „Preis“ verleiht. Die Zukunft der deutschen Agrarwirtschaft beschreibt er wie folgt: Ökologisch intensivieren und ökoeffiziente Produkte exportieren.
Technologische Ansätze zur Stickstoffeffizienz
Die rasante Entwicklung von Sensortechnik und Datenverarbeitung bietet die Möglichkeit, landwirtschaftliche Produktionsprozesse wissensbasiert zu steuern und zu optimieren, so Kurt-Jürgen Hülsbergen von der Technischen Universität München.Um das erreichte Ertragsniveau beizubehalten und die Umwelt zu entlasten, ist eine Erhöhung der Nährstoffeffizienz durch eine Feinsteuerung mit modernen Nährstoffmanagementsystemen erforderlich. Ein solches digitales Nährstoffmanagementsystem erfordert neue IT-Lösungen, um Daten unterschiedlicher Bereiche in ein Gesamtsystem zu integrieren.
Barbara Navé von der BASF SE sprach über die Forschung ihres Unternehmens an aktiven Lösungen für nachhaltiges Stickstoffmanagement. In ihrem Vortrag ging es dabei um die Rolle von Inhibitoren. Diese könnten umweltbelastende Emissionen wie Lachgas, oder Nitrat reduzieren. Das Potential der Pflanzenzüchtung zur Steigerung der Stickstoffeffizienz wichtiger Nutzpflanzen beschrieb Andreas Stahl von der Justus-Liebig-Universität Gießen. Neue Technologien unterstützen Züchterinnen und Züchter darin, Selektionsentscheidungen zu beschleunigen und zu optimieren.
Von der VISTA Geowissenschaftliche Fernerkundung GmbH referierte Heike Bach darüber, wie Satelliten und Simulationen die Effizienz der Stickstoffdüngung deutlich erhöhen. Ziel sei eine hundertprozentige Nährstoffeffizienz und ein stark verringerter Eintrag ins Grundwasser.
Rahmenbedingungen der Stickstoffwirtschaft
Im letzten Teil der Veranstaltung sprachen die Referentinnen und Referenten über Rahmenbedingungen der Stickstoffwirtschaft. Stefan Möckel vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig erläuterte aus rechtlicher Sicht grundlegende Erfordernisse, die den Weg in eine nachhaltige Stickstoffwirtschaft ebnen können. Das Düngerecht muss für eine nachhaltige Stickstoff(land)wirtschaft sicherstellen, dass die jeweiligen Standortverhältnisse sowie auch der Erhaltungszustand und die Vulnerabilität der jeweils betroffenen Ökosysteme bei Düngebedarfsermittlung und bei der Freistellung von Stickstoffüberschüssen berücksichtigt werden. Aufgrund der deutlich höheren Stickstoffeffizienz und besseren Umweltbilanz des Ökolandbaus ist dieser ein Vorbild für das zukünftige allgemeine Dünge- und Agrarumweltrecht.
Dass gutes Stickstoff-Management nicht wahrgenommen werden kann, bemängelte Klaus Erdle von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft e.V. Die eine Landwirtschaft als Hauptursache für die Nitratbelastung des Grundwassers gibt es nicht. Zudem betonte er, dass sich Bodenverhältnisse und das Wetter nicht an administrativen Grenzen oder zeitlichen Vorgaben orientieren.
Matthias Schrödter von der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Sachsen-Anhalt ergänzte den rechtlichen Rahmen um die konkrete Situation in Sachsen-Anhalt. Er wies darauf hin, dass Regulierungen nicht die naturwissenschaftlichen Gesetze des Ackerbaus infrage stellen dürfen.
Werner Wahmhoff, bis März stellvertretender Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt e.V., leitete mit seinem Impuls zur Panel-Diskussion über. Seiner Meinung nach können Verordnungen und innovative Verfahren der Düngerausbringung und Mengenkalkulation allein das Problem nicht lösen. Ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg ist ein besseres Handling organischer Dünger.
Unter der Moderation von Vorstandsmitglied Martina Schraudner diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer anschließend, an welchen Punkten in Deutschland ein Regelungsproblem und an welchen Punkten eher ein Vollzugsproblem vorliegt. Außerdem fragten sich einige Diskutanten, wie die Wissenschaft ihre Ergebnisse besser in die Politik tragen kann. Ein möglicher Weg führt dabei über die gastgebenden Akademien. Reinhard F. Hüttl griff diesen Aspekt in seinen Abschlussworten auf und betonte, dass eine umweltschonende Stickstoffwirtschaft ein relevantes Thema ist, mit dem die Akademien weiter voranschreiten sollten.
Programm und Vorträge zum Download
11:00 Uhr – Begrüßung, Jörg Hacker, Präsident Leopoldina
11:05 Uhr – Einführung: Stickstoff in Deutschland, Reinhard F. Hüttl, Vize-Präsident acatech
11:20 Uhr – Stickstoff im Ökosystem, Ernst Detlef Schulze, Max-Planck-Institut für Biogeochemie Jena
11:40 Uhr – Ökologische Intensivierung oder Erzeugung für den Weltmarkt?, Friedhelm Taube, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
12:00 Uhr – Panel-Diskussion: Wie gestalten sich angepasste Nutzungskonzepte?
- Friedhelm Taube, Universität Kiel
- Ernst Detlef Schulze, MPI Jena
- Reinhard F. Hüttl, acatech
Technologische Ansätze zur Stickstoffeffizienz
13:30 Uhr – Stickstoffeffizienz durch digitales Nährstoffmanagement und Precision Farming, Kurt-Jürgen Hülsenberg, TU München
13:45 Uhr – Nitrifikations- und Urease-Inhibitoren: Eine Lösung für nachhaltigeres Düngen, Barbara Navé, BASF SE
14:00 Uhr – Potential der Pflanzenzüchtung zur Steigerung der Stickstoffeffizienz wichtiger Nutzpflanzen, Andreas Stahl, Justus-Liebig-Universität Gießen
14:15 Uhr – Satelliten-und modellgestützte Stickstoffdüngung, Heike Bach, VISTA Geowissenschaftliche Fernerkundung GmbH
14:30 Uhr – Panel-Diskussion: „Wie kommt die Innovation auf den Acker?“
- Heike Bach, VISTA GmbH
- Kurt-Jürgen Hülsbergen, TU München
- Rainer Preuss, BASF SE
- Andreas Stahl, Universität Gießen
Rahmenbedingungen der Stickstoffwirtschaft
15:30 Uhr – Wege einer Nachhaltigen Stickstoffwirtschaft aus rechtlicher Sicht, Stefan Möckel, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, Leipzig
15:45 Uhr – StandortgeRECHTes Stickstoffmanagement – geben Verordnungen die natürliche Dynamik wieder?, Klaus Erdle, Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft e.V.
16:00 Uhr – Pflanzenproduktion im Spannungsfeld von regulatorischen Vorgaben, Matthias Schrödter, Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Sachsen-Anhalt
16:15 Uhr – Panel-Diskussion: Rechtliche & real wirksam: Was macht effektive Maßnahmen und Bestimmungen aus?
- Matthias Schrödter, LLG Sachsen-Anhalt
- Werner Wahmhoff
- Stefan Möckel, UFZ Leipzig
- Klaus Erdle, DLG
16:45 Uhr – Fazit und Verabschiedung, Reinhard F. Hüttl, acatech