INNEN-Sichten – acatech HORIZONTE im Gespräch mit Physikerin Dr. Astrid Elbe
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das HORIZONTE logbuch im Gespräch mit ExpertINNEN
„Ich sehe schon heute bei Veranstaltungen zu Quantencomputing mehr Frauen als bei anderen Technologieveranstaltungen.”
Dr. Astrid Elbe, Managing Director, Intel Labs Europe
Quantenphysik ist doch nur etwas für Nerds, oder? Sind Sie auch einer?
Ich bin ja Forschungsmanagerin und deshalb nicht der sprichwörtliche Nerd, der den ganzen Tag im Labor vor sich hin forscht und programmiert. Ich habe aber Physik (und auch Quantenmechanik) und Mathematik studiert und sehe deshalb die Potentiale für reale Anwendungen, die die Quantentechnologien haben. Die Quantenphysik ist nicht einfach zu verstehen, weil man sie schlecht vergleichen kann mit der makroskopischen Welt, die jeder von uns jeden Tag sehen und anfassen kann.
Warum braucht es viel mehr Frauen in den Quantentechnologien?
Quantentechnologien sind interdisziplinär und komplex und deshalb perfekt für Frauen. Ohne, daß ich genau nachgezählt habe, sehe ich schon heute bei Veranstaltungen zu Quantencomputing mehr Frauen als bei anderen Technologie-Veranstaltungen. Vielleicht braucht es dann gar keine Quote für Frauen in Quantentechnologien. Dadurch, daß die Positionen für Quantentechnologien an den Universitäten, aber auch in der Industrie, gerade erst entstehen und besetzt werden, kann das unter Berücksichtigung von Diversity-Aspekten erfolgen. Wenn sich abzeichnen sollte, daß das so nicht funktioniert, dann müßte wahrscheinlich eine Quote her.
Was raten Sie jungen Physikerinnen: eine Karriere in der Wirtschaft oder in der Wissenschaft?
Ich glaube, man muß während des Studiums beziehungsweise der Promotion herausfinden, was einem am Besten liegt und Freude macht. Die Arbeitsweisen und der Fokus sind schon sehr verschieden an den Universitäten und in der Wirtschaft.
Die Universitäten dürfen Geld ausgeben und müssen in der Regel selbst kein Geld verdienen. In der Wirtschaft darf man zwar in der Forschung und Entwicklung auch eine Weile Geld ausgeben. Am Ende (das Ende variiert je nach Firma zwischen 2 und 10 Jahren) muß aber schon Geld damit verdient werden können. Das heißt, (fast) alle Forschungsabteilungen in der Wirtschaft müssen schon sehr früh ein Auge darauf haben , daß Forschungsaktivitäten zu einem Ergebnis führen, das in die Produkte oder Dienstleistungen des Unternehmens einfließt und der Firma wirtschaftlich etwas bringt. Wer also vor allem an wissenschaftlich spannenden Themen interessiert ist und nicht dem kommerziellen Druck ausgesetzt sein will, ist an einer Universität besser aufgehoben, zumindest wenn sie (oder er) an langfristigen Themen in der Grundlagenforschung arbeiten will.
Aber es gibt natürlich auch viele Lehrstühle an den Universitäten, die angewandte Forschung zusammen mit der Industrie betreiben. Deshalb kann man durchaus auch eine Weile an der Universität arbeiten, danach in die Industrie oder in ein Start-up wechseln und dann vielleicht später auch wieder zurück in die Wissenschaft gehen, an eine Universität oder ein Forschungsinstitut. Das heißt, die Entscheidung ist nicht schwarz-weiß, Wirtschaft oder Wissenschaft. Heutzutage gibt es genügend Jobs in der IT, so dass die jungen Physikerinnen vielmehr probieren können, als zu meiner Zeit nach dem Studium. Die Arbeitslosigkeit war damals relativ hoch, niemand in der Industrie brauchte Physiker.
Rund um das Quantencomputing wird ein ganzes Ökosystem mit Zulieferern entstehen. Wo sehen Sie heute für Unternehmen und GründerInnen die größten Chancen?
Um einen Quantencomputer zu bauen, braucht man viele verschiedene Technologien. Für die Qbits braucht man vor allem Materialwissenschaftler. Diese neuen Materialien zu entwickeln dauert in der Regel sehr lange und ist sehr teuer. Das wäre also ein Thema für größere Technologiefirmen in enger Zusammenarbeit mit Universitäten und Forschungsinstituten.
Bei den Technologien zur Kühlung der Qbits gibt es viele Möglichkeiten auch für kleinere Firmen und Startups. Hier braucht man Kontroll-Elektronik für die Qbits. Heute gibt es bereits viel Expertise im Design von RF-Schaltungen, die auch noch bei sehr niedrigen Temperaturen funktionieren. Außerdem werden neue Softwaretools wie Compiler benötigt, die eine einfache Programmierung der Quantencomputer ermöglichen. Die meisten Möglichkeiten wird es aber meiner Meinung nach bei der Entwicklung von Anwendungen für Quantencomputer geben. Der Bereich ist sicher sehr geeignet für kleinere Firmen und Start-ups, aber auch für Abteilungen etablierter Firmen, die heute Anwendungen programmieren, die in High Performance Compute Centern laufen.
Ein besondere Chance für Frauen sehe ich bei Aufgaben, die einen Überblick über das große Ganze erfordern, bei denen es darum geht, das ganze System und das Zusammenspiel der einzelnen Teile eines Quantencomputers zu optimieren.
Wann wird ein Quantencomputer seine erste offizielle Aufgabe lösen? Welche sollte das Ihrer Meinung nach sein?
Es gibt ja heute schon Quantencomputer, die reale Probleme lösen. Die Quanten-Annealer besipeilsweise können heute schon Optimierungsprobleme besser lösen, als die bisher existierenden Computer. Ein allgemein einsetzbarer Quantencomputer, der schneller reale Probleme lösen kann, wird schon noch einige Jahre dauern. Wie lange genau, hängt davon ab, wie die erste offizielle Aufgabe definiert wird.
9.12.2020
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