Fachkräftemangel: Wie kann Deutschland attraktiver für internationale Fachkräfte werden?

München, 26. September 2023
Zu wenig Fachkräfte – das hemmt die Innovations- und Wirtschaftskraft Deutschlands. Mit der Gewinnung internationaler Fachkräfte ließe sich gegensteuern, heißt es in der acatech Studie „Innovationssystem Deutschland“. Wie sich Deutschland für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Ausland attraktiver machen und die Chancen der Fachkräftemigration besser nutzen kann, darüber diskutierte Studienautor und acatech Vizepräsident Christoph M. Schmidt zusammen mit Expertinnen und Experten bei einer online Ausgabe von acatech am Dienstag am 19. September.
Zunächst stellte acatech Vizepräsident und RWI-Präsident Christoph M. Schmidt in seinem einleitenden Vortrag die Herausforderungen der Fachkräftesicherung in Deutschland dar. Durch den demografischen Wandel sei mit einer rückläufigen Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials zu rechnen, wodurch aktuelle Fachkräfteengpässe sich zukünftig weiter zuspitzen würden. Inländische Potenziale seien weitestgehend ausgeschöpft, da derzeit kaum Erwerbstätige ohne Arbeit seien.
Entsprechend fordern Christoph M. Schmidt und seine Co-Autorinnen und -Autoren in der acatech Studie „Innovationssystem Deutschland“, dass man sich stärker um ausländische Fachkräfte bemühen müsse. Denn für diese sei Deutschland im internationalen Vergleich nur mäßig attraktiv. Wie kann sich das ändern? Christoph M. Schmidt skizzierte die in der Studie formulierten Handlungsoptionen: Es gehe unter anderem um die Verbesserung des Auslandsmarketings, eine Reform der Visavergabe- und Anerkennungsverfahren, eine erleichterte Integration für internationale Fachkräfte und deren Angehörige, sowie die verbesserte Integration von internationalen Studierenden als wichtige Hebel.
René Bohn, Leiter Arbeitsmarkt und soziale Sicherung, DIE FAMILIENUNTERNEHMER e.V., leitete seinen anschließenden Vortrag mit dem Hinweis auf die hohe Zahl an offenen Stellen in Unternehmen ein, die in einzelnen Fällen bereits zu Annahmestopps von Aufträgen geführt hätten. Durch die demografische Entwicklung stünden auch andere EU-Mitgliedstaaten zukünftig vor der Herausforderung der Fachkräftesicherung, weshalb internationale Fachkräfte aus Drittstaaten schon bald noch stärker nachgefragt sein könnten und sie für Unternehmen in Deutschland umso relevanter macht. In diesem Zusammenhang betonte René Bohn die Notwendigkeit, gute Rahmenbedingungen für internationale Fachkräfte zu schaffen, da ohne diese eine Wirkung der bereits vorhandenen liberalen Einwanderungsgesetze ausbleibe. Zu diesen Bedingungen gehören laut René Bohn insbesondere der Ausbau der Betreuungsinfrastruktur und des Wohnungsmarktes, sowie der Bürokratieabbau im Einwanderungsprozess von internationalen Fachkräften. Letzteres umfasse vor allem die langwierigen Visavergabeverfahren und den Prozess zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Neben regulatorischen Maßnahmen sei aber auch das proaktive Handeln von Unternehmen notwendig. Hierzu gehöre die Nachwuchskräftesicherung über Ausbildungsstellen, sowie der Einsatz für eine frühzeitige Herstellung von Praxisbezügen an Schulen. Maßnahmen zur Förderung der Erwerbsmigration seien vor allem für Großunternehmen, die international tätig sind und entsprechende Recruiting-Kanäle haben, umsetzbar. Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) verfügten meist nicht über die notwendigen Ressourcen und bräuchten an dieser Stelle Unterstützung.
Stephanie Schnabel, Recruiting Senior Manager, Accenture Dienstleistung GmbH, betonte in ihrem Vortrag die Notwendigkeit, in Unternehmen ausreichend Ressourcen für das Recruiting ausländischer Fachkräfte bereitzustellen. Man müsse Bewerbende aus dem Ausland bei der Organisation von Arbeitsgenehmigungen und anderen administrativen Belangen des Einwanderungsprozesses unterstützend zur Seite stehen, zum Beispiel auch beim Nachzug der Lebenspartnerin bzw. des Lebenspartners. Daneben seien für eine erfolgreiche Fachkräftemigration auch ein gutes Onboarding oder unternehmensinterne Netzwerke relevant, die ausländischen Fachkräften das Ankommen und Eingewöhnen in Deutschland erleichtern. Für Unternehmen stelle die Bewertung der Abschlusszeugnisse aus dem Ausland aufgrund anderer Standards in den Herkunftsländern nach wie vor eine Herausforderung dar, so Stephanie Schnabel. Notwendig seien deshalb regulatorische Maßnahmen zum Abbau administrativer Hürden im Einwanderungsprozess, die die Unsicherheiten seitens der Bewerbenden als auch Unternehmen senken und damit auch Deutschlands Attraktivität unter hochqualifizierten Fachkräften aus dem Ausland erhöht.
Im Schlusswort betonten die Diskutanten übereinstimmend, dass für den deutschen Arbeitsmarkt andere Rahmenbedingungen geschaffen werden müssten, um die Chancen der Fachkräftemigration besser zu nutzen und die Attraktivität Deutschlands unter hochqualifizierten Fachkräften aus dem Ausland zu erhöhen. Hierzu gehöre allen voran der Bürokratieabbau im Einwanderungsprozess, als auch der Wandel hin zu einer stärker wertschätzenden Dienstleistungskultur in den entsprechenden Stellen, die eine Fachkräftemigration fördern.