Kompetenzbedarfe früh erkennen: HR-Kreis legt neuen Ansatz vor
München, 20. April 2021
Unternehmen sehen sich im digitalen Zeitalter mehr als je zuvor mit dynamischen Entwicklungen konfrontiert. Entsprechend schwierig ist es für sie abzuleiten, welche Kompetenzen die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigen, um auf zukünftige Herausforderungen gut vorbereitet zu sein. Der Human-Resources-Kreis (HR-Kreis) von acatech, in dem Personalvorstände führender Technologie- und Dienstleistungsunternehmen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammentreffen, legt nun einen Ansatz vor, mit dem sich Kompetenzbedarfe systematisch feststellen lassen.
Die Digitalisierung beschleunigt technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen in einer Weise, die auch das Lernen grundlegend verändert: Wissen und Kompetenzen können in Zukunft immer weniger auf Vorrat ausgebildet werden – das gilt auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Bisherige Instrumente der Personalplanung und -entwicklung reichen entsprechend nicht mehr aus, um die Bedarfe von morgen bereits heute antizipieren zu können.
Der Human-Resources-Kreis (HR-Kreis) von acatech hat nun einen Ansatz entwickelt, mit dem dieses Problem behoben werden kann: In fünf Schritten ermöglicht er Unternehmen, Rahmenbedingungen und Kompetenzbedarfe zu analysieren, entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen für das Personal abzuleiten und diese auch umzusetzen. Der Leitfaden, den eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Immanuel Hermreck (Personalvorstand Bertelsmann), Ilka Horstmeier (Personalvorständin BMW) und Isabell M. Welpe (Wirtschaftswissenschaftlerin TU München) entwickelt hat, richtet sich in erster Linie an größere Unternehmen.
Die fünf Schritte der Kompetenzbedarfsanalyse
Schritt 1 – Analyse der Rahmenbedingungen
Identifikation zentraler Trends und Analyse der Auswirkungen auf die Kompetenzbedarfe und -verfügbarkeit im Unternehmen. Anschließend Durchführung eines ersten Plausibilitätschecks.
Schritt 2 – Konzeption des Kompetenzmodells
Entwicklung eines vorläufigen Kompetenzmodells. Das heißt: Ent-wicklung von Struktur und Regelwerk des Kompetenzmodells, Er-arbeitung eines Kompetenzkatalogs mit einzelnen Kompetenzen und Bildung von Rollen beziehungsweise Stellenbezeichnungen mit entsprechenden Kompetenzprofilen.
Schritt 3 – Validierung des Kompetenzmodells
Pilotierung des vorläufigen Kompetenzmodells für eine repräsentative Pilotgruppe, dabei auch Soll-Ist-Abgleich zur Ermittlung des individuellen Entwicklungs- und Quali-fizierungsbedarfs der Pilotgruppe. Auf dieser Basis Beurteilung der organisationalen Passfähigkeit und Anwendbarkeit des Kompetenzmodells im Pilotumfeld und gegebenenfalls Fein-justierung des Kompetenzmodells.
Schritt 4 – Anwendung des Kompetenzmodells
Rollout und standardisierter Einsatz des Kompetenzmodells für alle geplanten Zielgruppen. Basierend auf dem Soll-Ist-Abgleich zur Ermittlung des betrieblichen Qualifizierungsbedarfs dann Ableitung personalwirtschaftlicher Maßnahmen auf Grundlage des Kompetenzmodells.
Schritt 5 – Review des Kompetenzmodells
Zur Qualitätssicherung kritische Beurteilung des Kompetenz-modells und dessen Passgenauigkeit. Gegebenenfalls Anpassung des Kompetenzmodells und Ableitung unternehmensstrategischer Fragestellungen.
Zur einfacheren Handhabung des Ansatzes ist jeder der fünf Prozessschritte mit optionalen Hilfestellungen für die Praxis („Canvas“) unterlegt. So ist aus Anwenderperspektive auf den ersten Blick erkennbar, welche Fragen in der jeweiligen Phase relevant sind und welche Tools und Personen entscheidend sein können. Mehrere Unternehmensbeispiele geben zusätzliche Einblicke in die praktische Umsetzung des Ansatzes und machen ihn anschaulich; Interviews und Gastbeiträge von Forschenden sorgen für eine ganzheitliche Betrachtung des Themas.
Arbeitswissenschaftler Dieter Spath, Mitglied des HR-Kreises und Mitherausgeber der Veröffentlichung, stellt heraus, welche Funktion der Ansatz für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfüllt: „Um Weiterbildung zielgerichtet gestalten und an der Unternehmensstrategie ausrichten zu können, müssen Unternehmen ihre Kompetenzbedarfe analysieren und definieren. Natürlich spielen Beschäftigte in diesem Prozess eine wichtige Rolle: sie haben eine große Selbstverantwortung für ihre Lernbiografie. Ein ganzheitlicher Ansatz zur Kompetenzbedarfsanalyse hilft ihnen, sich zu orientieren und ihren persönlichen Wissens- und Kompetenzerwerb entsprechend auszurichten.“