Lost in Translation: Wie Deutschland die Potenziale der Biotechnologie entfesseln kann
München, 1. Februar 2024
Biotechnologie kann als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts einen relevanten Beitrag zur Lösung aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen bieten und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken – sofern die brillanten Ideen der deutschen Forschungs- und Entwicklungslandschaft erfolgreich in marktreife Anwendungen umgesetzt werden. Jedoch gelingt das im internationalen Vergleich nicht oft genug. Der acatech IMPULS „Lost in Translation – Ansätze zur Entfesselung gesellschaftlicher und ökonomischer Potenziale der Biotechnologie“ zeigt Wege entlang des Translationsprozesses auf, um die Chancen dieser Technologie in Zukunft besser nutzen zu können.
Aktuelle Herausforderungen in den Bereichen Gesundheit, Ressourcen, Umwelt, Ernährung und Energie erfordern neue Lösungsansätze, um auch in Zukunft gesamtgesellschaftliche Bedarfe decken und einen guten Lebensstandard sichern zu können. Fortschritte in der roten, weißen und grünen Biotechnologie – also in den Bereichen der medizinischen, industriellen und landwirtschaftsbezogenen Biotechnologie – haben zu zahlreichen Verfahren und Anwendungen geführt, die solche Lösungen liefern könnten. Zuletzt hat sich die Leistungsfähigkeit der Branche eindrucksvoll an der raschen Impfstoffentwicklung während der Covid-19-Pandemie gezeigt.
Allerdings scheitert Deutschland noch zu häufig daran, innovative biotechnologische Verfahren in marktreife Anwendungen zu bringen. Diese Translationsschwäche gilt es aufzulösen, indem Kapitalengpässe, langwierige Verhandlungen zu „Intellectual Property“ (IP) und strikte Regulierungsvorschriften zugunsten innovationsbegünstigender Rahmenbedingungen überwunden werden. Zudem müssen bestehende Kräfte in der Biotechnologie zu Innovationsclustern gebündelt werden, um international an Schlagkraft zu gewinnen.
Basierend auf einem im Juli 2023 im Zukunftsrat des Bundeskanzlers vorgestellten Dossier zeigt der acatech IMPULS „Lost in Translation – Ansätze zur Entfesselung gesellschaftlicher und ökonomischer Potenziale der Biotechnologie“ Handlungsoptionen auf, um bestehende innovationspolitische Chancen der Biotechnologie in Deutschland besser nutzen zu können. Neben der Etablierung eines Spitzendialogs zwischen Politik und Biotechnologie-Branche braucht es insbesondere eine ambitionierte Biotechnologie-Strategie, um Deutschland im internationalen Wettbewerb stabil zu positionieren.
Mit der nationalen Pharmastrategie der Bundesregierung ist ein erster wichtiger Schritt hin zu einem solchen breiten Biotechnologie-Strategieprozess gemacht. Zentrale Empfehlungen, gerade hinsichtlich eines Abbaus regulatorischer Hürden ohne Verringerung des Sicherheits- und Qualitätsniveaus, haben hier bereits Eingang gefunden.
Zugleich zeigt die anhaltende Debatte um den Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission zum Umgang mit neuen Genomtechniken in der Pflanzenzüchtung, dass neben einer neuen politischen Bereitschaft zur Anpassung der Rahmenbedingungen weiterhin auch Vorbehalte gegenüber biotechnologischen Verfahren bestehen. In der politischen und gesellschaftlichen Diskussion sollten stets die realistischen Risiken auf der einen Seite und die möglichen Opportunitätskosten eines Nutzungsverzichts auf der anderen Seite faktenbasiert gegeneinander abgewogen werden. Nur so kann es gelingen, das Momentum aus der Pandemie zu nutzen und politisch rasch die richtigen Weichen zu stellen, um die Innovationskraft, Resilienz und Souveränität Deutschlands im gesamten Spektrum biotechnologischer Anwendungen zu stärken.