acatech am Dienstag: Was ist Technik?
München, 5. März 2021
Die Geschichte des Menschen kann nicht erzählt werden, ohne dabei auf die Rolle der Technik einzugehen. Technik hat das Leben der Menschen beeinflusst – und sie beeinflusst es noch heute. Aus diesem Grund ist sie Gegenstand unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen und wird – je nach Kontext – ganz unterschiedlich definiert. Mit Blick auf neuere Entwicklungen in den Bereichen Software und Biotechnologie stellt sich Technik nochmals anders dar. Der Technikhistoriker Wolfgang König stellte am 2. März bei acatech am Dienstag, das erneut in Kooperation mit vhs.wissen live stattfand, die unterschiedlichen Technikbegriffe vor.
Zum Vortrag von Professor König:
Wolfgang König ist Professor für Technikgeschichte (a. D.) an der Technischen Universität Berlin und ordentliches Mitglied von acatech. Gastprofessuren hatte er an der Technischen Universität Wien und an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Beijing inne.
Veröffentlicht am 12. März 2021
Dauer: 1 Stunde und 15 Sekunden
Technik ist vielfältig und vieldimensional – und wird deshalb auch durch ganz unterschiedliche wissenschaftliche Brillen betrachtet: Die Technikwissenschaften untersuchen die Struktur und Funktion technischer Sachsysteme, die Geistes- und Sozialwissenschaften fragen hingegen nach den soziokulturellen Entstehungs- und Verwendungszusammenhängen von Technik. Nur wenn beide Perspektiven jedoch zusammenkämen, könne eine angemessene Vorstellung von Technik entstehen, erklärte acatech Mitglied Wolfgang König in seinem einführenden Impuls bei acatech am Dienstag am 2. März.
In seinem Vortrag stellte der Technikhistoriker dar, wie man die Entwicklung von Technik erfassen kann. Häufig würden dabei zwei Theorieansätze gegenübergestellt: Soziale Konstruktion von Technik versus Technikdeterminismus. Wolfgang König plädierte für eine Vermittlung zwischen beiden Ansätzen: Einerseits wird Technik durch den vergesellschafteten Menschen gemacht, andererseits ist sie gesellschaftlich wirkmächtig.
Eine dritte Perspektive wäre, Technikentstehung als das Zusammenwirken von Strukturen und Akteuren zu beschreiben. Die Akteure, wie Erfinder, Unternehmen und Konsumenten, bewegen sich in relativ stabilen Strukturen, bemühen sich aber gegebenenfalls, diese Strukturen zu verschieben, auszuweiten oder einzuengen. In Bezug auf Technik bedeutet das: Akteure wirken auf den Stand des technischen Wissens und Könnens ein, sie beeinflussen die Marktbeziehungen für Technik, politische und wirtschaftliche Macht und Herrschaft sowie Mentalitäten, Leitbilder oder Wertsysteme. Das Ergebnis dieses Zusammenwirkens ist der technische Fortschritt.
Wolfgang König führte weiter aus, dass die menschliche Gattungsgeschichte – wie die Geschichte eines jeden Einzelnen – eng mit der Technik verbunden sei. So entfalte sich die Geschichte eines Individuums zwischen Gynäkologie und Geriatrie. Genauso habe der Vormensch, als er erstmals einen Faustkeil oder einen Grabstock nutzte, mehr oder weniger die Geburt des Homo sapiens eingeleitet. Und heute – viele Kapitel der Menschheitsgeschichte weiter – habe der Mensch die technische Verfügungsmacht – man denke an die Atombombe – um das menschliche Leben auf der Erde zu beenden.
Zum Abschluss skizzierte Wolfgang König die wichtigsten technisch bedingten Umbruchzeiten in der Menschheitsgeschichte: die Neolithische Revolution und die Industrielle Revolution. Die aktuelle Phase, so der Technikforscher, werde im Nachgang vermutlich ebenfalls als ein solch zentraler Umbruch bewertet werden.
Keine Technik ohne den Menschen,
aber auch keine Menschen ohne die Technik.
Wolfgang König, Technische Universität Berlin
Bei der anschließenden Fragerunde, die von Christoph Schulz und Klaus Lüdenbach, beide vhs.wissen live, moderiert wurde, fragte ein Gast nach den historische bedeutsamsten Meilensteinen in der Geschichte der Technik. Wolfgang König antwortete, dass nicht einzelne Erfindungen die Welt umgestalten können, sondern Cluster von Erfindungen von besonderer Bedeutung seien, da Erfindung ein Prozess sei. In der Gegenwart und näheren Zukunft sind es aus seiner Sicht vor allem die Biotechnologie und die Digitalisierung, aus denen heraus derartige Prozesse angestoßen werden.