HORIZONTE nachgefragt! im Gespräch mit Volker Thome
HORIZONTE nachgefragt!
Solange dem Altbeton die „Abfalleigenschaft“ anhaftet, beziehungsweise nachgesagt wird, hat es Recyclingbeton in Deutschland schwer.
Dr. rer. nat. Volker Thome, Abteilungsleiter Mineralische Werkstoffe und Baustoffrecycling, Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP
Alt-Beton im Straßenbau – Recycling oder Verschwendung?
In Deutschland werden circa 70 Prozent des Altbetons für den Straßenunterbau verwendet. Per Definition des Wortes „Recycling“ kann die Verwendung von Altbeton im Straßenbau nicht als Recycling bezeichnet werden, weil dabei keine Materialkreisläufe geschlossen werden. Es ist aber auch keine Verschwendung, da durch den Einsatz von Altbeton primäre Ressourcen wie Kies geschont werden.
Warum ist es so schwierig Beton zu recyceln?
Ein echtes Beton-Recycling wäre dann gegeben, wenn man aus Altbeton für die Zementherstellung wieder hochwertige Zuschläge, also Gesteinskörnungen hauptsächlich bestehend aus Sand und Kies, sowie Rohstoffe gewinnen könnte. Bei Beton handelt es sich um einen Verbundwerkstoff, bestehend aus dem Zuschlag und dem sogenannten Zementstein als Bindemittel. Während der Nutzungsphase ist eine starke Haftung zwischen Zuschlag und Zementstein erwünscht, damit der Beton je nach Anwendungszweck die erforderliche Druckfestigkeit besitzt. Nach der Nutzungsphase erschwert diese starke Haftung die Aufbereitung. Man muss Energie aufwenden, um sie zu lösen. Mit rein mechanischen Methoden wie Mahlen oder Brechen ist eine selektive Trennung in die Beton-Einzelbestandteile sehr schwierig.
Hat Recyclingbeton ein Akzeptanzproblem?
Solange dem Altbeton die „Abfalleigenschaft“ anhaftet, beziehungsweise nachgesagt wird, hat es Recyclingbeton in Deutschland schwer. Neue Gesetze werden hier nicht helfen, um die Akzeptanz zu erhöhen. Wichtig wäre eher eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung über Recyclingbeton. Wir dürfen dabei aber nicht nur über die Theorie sprechen und schreiben. Mit praktischen Demonstrationen von Verfahren und Technologien, wie wir sie beispielsweise in Ludwigshafen oder in Stuttgart gebaut haben, lässt sich zeigen, dass man Recycling-Beton sehr wohl für den Hausbau einsetzen kann.
Wann gibt es in Deutschland die erste Stadt, die wie Zürich komplett auf Recyclingbeton setzt?
Zürich setzt zwar in allen öffentlichen Bauprojekten auf Recyclingbeton – aber nur als Beimischung in Frischbeton, um primären Kies zu ersetzen. Da das allerdings die Druckfestigkeit reduziert und so max. eine Druckfestigkeitsklasse von C35-45 erzielt werden kann, ist es nach unserem Kenntnisstand nur zulässig – je nach Anwendungsbereich – maximal 40 Prozent des Zuschlages durch Recycling-Beton zu ersetzen. Im Umkehrschluss heißt das, dass immer noch 60 Prozent an primären Rohstoffen eingesetzt werden. Man kann aus Recyclingbeton zwar aktuell Ein- oder kleinere Mehrfamilienhäuser, aber noch kein Hochhaus oder einen Staudamm bauen.
Wenn man sich die Karte mit Pilotprojekten ansieht, so wird die erste deutsche Stadt die auf Recyclingbeton setzt, höchstwahrscheinlich aus Baden-Württemberg stammen. Wann dieser Fall eintreten wird – vermutlich schon in naher Zukunft.
Wird es jemals möglich sein, Beton ausschließlich aus Sekundärrohstoffen herzustellen? Oder muss man sich nach Alternativen umsehen, wenn die Primärrohstoffe knapp werden?
Grundsätzlich ja. Denn wir haben im Labormaßstab schon bewiesen, dass man aus Altbeton neben den Zuschlägen auch wieder Ersatzrohstoffe für die Zementherstellung gewinnen kann. Die Herausforderung wird es sein, in den nächsten Jahren dieses Aufbereitungsverfahren für eine industrielle Nutzung aufzuskalieren und es auf dem Markt zu etablieren. Allerdings heißt das nicht, dass man parallel nicht auch an Alternativen zum Baustoff Beton forschen sollte.
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