acatech am Dienstag: Kann die Blockchain-Technologie demokratische Prozesse verbessern?
München, 27. September 2019
Startschuss zur Veranstaltungsreihe „Blockchain in Society and National Security“: Gemeinsam mit der Stiftung Bayerisches Amerikahaus gGmbH lud die Akademie am 24. September 2019 zu acatech am Dienstag ein – Thema: „Bessere Demokratie durch Blockchain?“. Auf dem Podium stellten die Blockchain-Experten Franz von Weizsäcker, Michael Reuter und Martin Schanzenbach verschiedene Anwendungsmöglichkeiten der Technologie zur Verbesserung demokratischer Strukturen vor – und gingen dabei auch auf die in der vergangenen Woche veröffentlichte Blockchain-Strategie der Bundesregierung ein.
Mit der nationalen Blockchain-Strategie löste die Bundesregierung ein Versprechen ein, das sie nach dem Blockchain-Hype des vergangenen Jahres gegeben hatte. Denn feststeht: Blockchain eröffnet ein breites Feld innovativer Anwendungsmöglichkeiten, auch außerhalb von Finanztransaktionen. So besitzt die Technologie beispielsweise Potenziale zur Verbesserung demokratischer Prozesse: Die Transparenz staatlichen Handelns, ein gleichberechtigter Zugang zu Informationen oder die Nachvollziehbarkeit von Prozessen könnten dadurch beispielsweise gewährleistet werden, so Moderator Christoph Egle vom Bayerischen Forschungsinstitut für Digitale Transformation (BIDT). Etablierte Demokratien erprobten die Technologie bereits bei politischen Wahlen oder im Registerwesen. In der Entwicklungszusammenarbeit gebe es ebenfalls eine Reihe erfolgreicher Blockchain-Projekte.
Internationale Projekte zur Verbesserung demokratischer Prozesse
Franz von Weizsäcker, Leiter des Blockchain Lab der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), arbeitet gemeinsam mit Regierungen und staatlichen Institutionen an der Entwicklung innovativer Blockchain-Lösungen zur Erreichung nachhaltiger Klimaziele. Zu diesen Projekten zählen beispielsweise Datenbanken zur Verifizierung von Bildungszertifikaten in Manila oder auch von Landtiteln in Bangladesch und Georgien. Letzteres sei in instabilen Systemen besonders wichtig, um beispielsweise Landtitel vor staatlicher Besatzung oder Kompromittierung zu schützen, so Franz von Weizsäcker. Seiner Ansicht nach könnte die Blockchain auch im öffentlichen Vergabewesen zu mehr Transparenz beitragen und Manipulationen bei der Vergabe, z.B. in Form von nachträglichem Bieten, verhindern. Projekte hierfür würden bereits in Chile, Südafrika und Schweden erprobt. Zudem führten erste Länder, wie z.B. Estland, inzwischen bereits politische Wahlen mit Hilfe der Blockchain durch, berichtete Franz von Weizsäcker. Um ein blockchainbasiertes Wahlverfahren zu etablieren, müssten aber zunächst eine digitale Wählerregistrierung eingeführt und alle Bürgerinnen und Bürger mit einer digitalen Unterschrift ausgestattet werden.
Auch die Blockchain-Lösungen von Datarella seien für derartige Anwendungsfälle einsetzbar, erklärte Michael Reuter, CEO & Co-Founder von Datarella. Sein Unternehmen baut Blockchain-Lösungen für internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen, Regierungen und Unternehmen. Das wohl bekannteste Projekt, an dem Datarella arbeitet, ist das Building Blocks Projekt des World Food Programm: In einem jordanischen Flüchtlingscamp hat das Unternehmen ein Bezahlsystem eingerichtet, mit dessen Hilfe Geflüchtete ihre Einkäufe bargeld- und gebührenlos mit einer Debit-Card bezahlen können. Dies habe nach einem Jahr zu einer Gebühren-Ersparnis von etwa zehn Millionen Euro geführt, berichtete Michael Reuter.
Wie sicher sind Blockchains?
Kann die Blockchain auch als Sicherheits-Technologie verwendet werden und wie sicher sind neue Technologien wie die Blockchain? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Martin Schanzenbach am Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit (AISEC). Lange Zeit habe man irrtümlich geglaubt, dass Blockchains „secure by design“ seien. Die Blockchain-Strategie der Bundesregierung habe mit diesem Irrtum nun aufgeräumt, was aus Privacy- und IT-Security-Sicht zu begrüßen sei, so Martin Schanzenbach. Jedes Blockchain-Projekt müsse vor Einführung individuell auf dessen Sicherheit überprüft werden.
Besonders in der Pflicht sieht Martin Schanzenbach den Staat im Bereich dezentraler, digitaler Identitäten. Momentan würde der Staat nämlich in seiner Funktion als Identitätsdienstleister mehr und mehr durch Unternehmen verdrängt. Darum brauche man ein dezentrales System, in welchem Bürgerinnen und Bürger ihre Daten selbst verwalten können, wobei der Staat gleichzeitig die Möglichkeit besäße, gewisse Identitätsattribute zu attestieren und teilbar zu machen. Am Fraunhofer-Institut wird aktuell an dezentralen Methoden auf Blockchain-Basis gearbeitet, damit große Dienstleister nicht mehr nötig sind.
Über die Veranstaltungsreihe „Blockchain in Society and National Security“
Die Veranstaltung „acatech am Dienstag: Bessere Demokratie durch Blockchain?“ war Teil einer Blockchain-Veranstaltungsreihe in Kooperation mit der Stiftung Bayerisches Amerikahaus gGmbH. Die nächste Veranstaltung findet am 17. Oktober 2019 zum Thema Blockchain and Transatlantic Security – Challenges and Opportunities of Blockchain Beyond Bitcoin im Amerikahaus statt. Die Veranstaltung wird in englischer Sprache stattfinden.
Über acatech HORIZONTE
Die Veranstaltungsreihe ist Teil der Publikationsreihe acatech HORIZONTE. Die acatech HORIZONTE untersuchen Technikfelder, die unseren Alltag grundlegend verändern, aber in ihrer Tragweite noch nicht klar sind. Solche Technologien möchte acatech differenziert, anschaulich und verständlich aufbereiten und bewerten. Die Publikationen der acatech HORIZONTE bilden einen breit angelegten Diskussionsprozess ab. Ein Begleitkreis mit Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Technikkommunikation und der Gründerszene berät acatech bei der Themenwahl. Die erste Ausgabe zum Thema „Blockchain“ erschien im Oktober 2018, die zweite Ausgabe zum Thema „Cybersecurity“ am 12. Juli 2019. Die nächste Ausgabe zu „Nachhaltige Landwirtschaft“ wird am 3. Dezember 2019 im Münchner Künstlerhaus veröffentlicht.