Umsteigen aber wie? – Mobilität in der Stadt von morgen
München, 29. Oktober 2019
Schlusspunkt beim Herbst der Mobilitätsdebatten: Mit einem acatech am Dienstag zum Thema „Umsteigen aber wie? – Mobilität in der Stadt von morgen“ am 22. Oktober in München endeten die Schwerpunktwochen der Akademie zur Verkehrswende. Auf der Veranstaltung, die in Kooperation mit der Evangelischen Stadtakademie München stattfand, kamen diesmal Expertinnen und Experten aus den Verkehrswissenschaften, der Stadtplanung und dem Technologiebereich mit dem Publikum ins Gespräch.
Zum Auftakt formulierte der Verkehrsforscher und ehemalige Leiter des Deutschen Instituts für Urbanistik, Klaus J. Beckmann, die Ansprüche und Herausforderungen, die eine moderne Stadt-, aber insbesondere eine zeitgemäße Verkehrsplanung in sich vereinen müsse. Die Mobilität müsse sich zu einer inter- und multimodalen Mobilität weiterentwickeln, damit CO2-, Stickoxid- und Feinstaubausstoß drastisch gesenkt werden können. Im Zuge dieser Entwicklung dürften aber Faktoren wie Lebensraumqualität, Verkehrssicherheit und Effizienz als entscheidende Zielvorgaben im Verkehrsbereich nicht außer Acht gelassen werden.
Klaus J. Beckmann sprach sich in diesem Zusammenhang für eine integrierte Vorgehensweise aus: Technische Innovationen (alternative Antriebe, automatisierte Fahrzeuge) sollten Hand in Hand gehen mit organisatorischen und prozessualen Neustrukturierungen (verschiedene Sharing-Angebote, Apps usw.); gleichzeitig seien Verhaltensänderungen und neue Routinen (Umstieg auf den Umweltverbund und Aufbrechen vermeintlicher Notwendigkeiten) eine ebenso große Säule einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung. Um kontraproduktive Effekte zu vermeiden, sei es wichtig, nicht blind zu sein für Pfadabhängigkeiten technischer Optionen – beispielweise, wenn durch automatisiertes Fahren plötzlich der PKW-Verkehr wieder attraktiver erscheinen könnte. Es gehe darum, das Ziel im Blick zu behalten.
Kooperation auf allen Ebenen
Vor dem Hintergrund einer oft kontrovers geführten öffentlichen Debatte über die passenden Verkehrsmittel der Zukunft verwies Klaus J. Beckmann auf die Bedeutung von Kooperation: die Verkehrswende gelinge nur durch die Einbindung aller Betroffener. Wenn jedem klar werde, dass es letztlich um die Steigerung der Lebensqualität in der Stadt gehe, dann sei die „emotionale“ Loslösung vom stadtunverträglichen privaten PKW möglich – und man hätte schon mal eine gemeinsame Zielvorstellung. Die aktuell zu beobachtenden Umsetzungsprobleme erklären sich für den Verkehrsforscher eher aus der schwierigen Kooperation von Stadt, Region, Land und Bund sowie dem Kommunikationsprozess zwischen Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik. Hier gelte es, Brücken zu bauen.
Alternativen ausbauen, Vorteile sichtbar machen, innovative Technologien passgenau einsetzen
Kirstin Hegner, Leiterin des Digital Hub Mobility der UnternehmerTUM, schlug ganz ähnliche Töne an. Dem unvergleichlichen Erfolg des Autos in Städten wie München (780.000 Autos auf gut 1,6 Mio Einwohner) gelte es mit Alternativen zu begegnen. Dann würden sich die dadurch entstandenen Raumprobleme quasi von selbst auflösen. Hierzu präsentierte sie passende Beispiele: So sei der Königsplatz noch in den 1970ern ein riesiger Parkplatz gewesen – heute finden sich dort große Grünflächen. Ähnlich könne es auch schon bald auf dem Platz rund um das Siegestor auf der Leopold-/Ludwigstraße aussehen – sofern der Mehrwert von auf diese Weise umgewidmeten öffentlichen Flächen sichtbar werde und sich unterstützend dazu digitale Sharing-Plattformen, intelligente Verkehrssteuerung oder auch platzsparende, umweltverträgliche und automatisierte Lieferverkehrssysteme durchsetzen würden.
Im schnell wachsenden, dicht besiedelten München ist eine zukunftsfähige Verkehrsplanung nötig
Als attraktiver Wirtschafts- und Lebensstandort steht München vor der Herausforderung, das für die kommenden Jahre prognostizierte Wachstum in Stadt und Umland verkehrstechnisch erfolgreich zu bewältigen. Bereits heute ist München verkehrlich überlastet, der ÖPNV stößt an seine Kapazitätsgrenzen und bis 2040 werden über 1,8 Mio. Menschen in der Stadt leben. Schon aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen sei es daher notwendig, effizient mit den vorhandenen Flächen umzugehen, erklärte Christine Weis-Hiller, stellvertretende Leiterin der Verkehrsplanung der Landeshauptstadt München. Stadt- und Mobilitätsplanung würden daher in München immer stärker zusammen gedacht: Man versuche Wohnquartiere zu schaffen, in denen Menschen in Zukunft leben, wohnen und arbeiten können. Dazu müssten sich Nahversorgungsangebote wie Einkaufsmöglichkeiten, Ärzte, Schulen und Kindergärten gleich vor Ort befinden und damit leicht zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar sein – und falls doch einmal ein Fahrzeug benötigt werde, könne auf Mobilitätsangebote wie beispielsweise Carsharing zurückgegriffen werden.
Wie sieht die Mobilität der Zukunft jenseits des eigenen PKW aus?
In der anschließenden offenen Debatte diskutierten die Expertinnen und Experten mit dem Publikum über die Chancen und Herausforderungen der Mobilität in der Stadt. Um wirklich Alternativen zum PKW zu schaffen, sei der Ausbau des ÖPNV zwar nötig, er dürfe aber nicht zu Lasten der Zuverlässigkeit gehen, hieß es in einer Wortmeldung. Gerade in München mit seinem stark zentralisierten Verkehrsnetz sollten insbesondere die Tangenten- und Querverbindungen durch den Einsatz von Bussen gestärkt werden, um kurz- bis mittelfristig auf die wachsende Mobilitätsnachfrage zu reagieren. Um den umweltfreundlicheren Verkehr weiter zu stärken, sollten zudem auch die Infrastrukturen für den nicht-motorisierten Verkehr (Radfahrer, Fußgänger) erweitert werden. Der bereits langanhaltende Investitionstau für Mobilität und Infrastruktur müsse endlich aufgelöst werden, so Stimmen aus dem Publikum.
Mit Blick auf den ruhenden Verkehr wurde der Flächenverbrauch durch Parkraum in Neubaugebieten thematisiert. Es sei nicht mehr zeitgemäß, dass zu jeder Wohnung auch ein Stellplatz gebaut werde. Die Stadt München reagiert hierauf in den letzten Jahren unter anderem mit einer Flexibilisierung der Stellplatzsatzung. So ist es in Verbindung mit alternativen Mobilitätsangeboten möglich, in Neubauquartieren den Stellplatzschlüssel zu reduzieren und weniger Parkraum zu bauen. Es müsse sich aber auch das Verhalten der Menschen ändern, hier war man sich im Publikum einig. Wenn das eigene Fahrzeug nämlich einfach im Nachbarquartier abgestellt würde, habe man das Ziel verfehlt.
Weiterführende Informationen:
Dialogreihe „Innovation und Verantwortung“: Zukunft der Mobilität gemeinsam gestalten