Digitaler Journalismus in Zeiten der Corona-Krise
München, 8. April 2020
Journalistische Formate unterliegen einem ständigen Wandel. Im aktuellen Beitrag zum Thema „Digitaler Journalismus“ fragt acatech: Ändert die Corona-Krise die Art und Weise, wie Menschen sich informieren und ihre Meinung bilden? Wo steht der „digitale Journalismus“ heute, welche neuen Formate können wir erwarten und wie werden Journalisten künftig ausgebildet? acatech spricht dazu mit acatech Vizepräsident Reinhard F. Hüttl, dem Kommunikationswissenschaftler Christoph Neuberger und der Leiterin der Deutschen Journalistenschule, Henriette Löwisch. Die drei Gespräche finden Sie hier als Audio-Dateien.
Die Medienlandschaft verändert sich beständig und auch die sozialen Medien sind Resonanzboden für Meinungsbildungsprozesse, die sich bisherigen Kommunikationsdynamiken entziehen. Im März hätte „acatech am Dienstag“ zum Thema „Digitaler Journalismus“ stattfinden sollen. „acatech am Dienstag“ ist die Veranstaltungsreihe, mit der die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften aktuelle und kontroverse Technikthemen in die Diskussion bringt – am acatech Forum am Karolinenplatz in München und an anderen Orten. Die Veranstaltung musste aus bekannten Gründen kurzfristig abgesagt werden; auch acatech verzichtet auf Präsenzveranstaltungen, um die Ausbreitung des Corona-Virus zu verzögern. Wir nehmen das Thema hier – was läge näher? – in digitaler Form auf und stellen aktuelle Bezüge zur Corona-Krise her. Denn in Zeiten der Corona-Krise gewinnen die genannten Fragen weiter an Bedeutung.
Reinhard F. Hüttl, acatech Vizepräsident und GeoForschungsZentrum Potsdam
„Wissenschaft hat insbesondere in parlamentarischen Demokratien die zentrale gesellschaftspolitische Aufgabe, im Zusammenspiel mit dem Journalismus wissenschaftliche Erkenntnisse und Ergebnisse bestmöglich mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren und für diese nutzbar zu machen. Der daran anschließende Dialog soll letztendlich dazu dienen, Antworten auf die globalen Herausforderungen herauszuarbeiten. Sei es der Klimawandel oder akut die momentane Corona-Pandemie.“
Reinhard F. Hüttl, Vizepräsident acatech
Reinhard F. Hüttl ist Reinhard F. Hüttl und Leiter des GeoForschungsZentrums Potsdam. Von Haus aus Forst- und Bodenwissenschaftler, treibt ihn das Thema Wissenschaftskommunikation und Qualitätsjournalismus seit langer Zeit um.
Als Sprecher der Akademienarbeitsgruppe „Kommunikation zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und Medien“ war Reinhard F. Hüttl maßgeblich an der Stellungnahme der Wissenschaftsakademien zu Wissenschaft und sozialen Medien beteiligt.
Veröffentlicht am 8. April 2020
Dauer: 11:56 Minuten
Weitere Statements von Reinhard F. Hüttl
„Die Wissenschaft sollte allerdings hauptsächlich Lieferant von evidenzbasierten Argumenten sein. Der offene Dialog muss folgen, und er sollte möglichst partizipativ und durch Institutionen wie die Wissenschaftsakademien, oder Vermittler zwischen Medien und Wissenschaft wie das Science Media Center moderiert sein, um faktenbasiert und ergebnisorientiert abzulaufen. Dadurch können Politik und Gesellschaft am besten profitieren.“
„Zur Wissenschaftskommunikation in Zeiten der Corona-Krise kann man sagen: Die einzelnen Fachgebiete schaffen es ganz gut, ihre jeweilige Expertise einzubringen, aber die interdisziplinären und integrativen Beiträge sind dabei immer ganz entscheidend. Also sei es, dass ein Virologe oder auch ein Epidemiologe zwar jetzt sehr viel zu der Ausbreitung und der Bekämpfung der Pandemie beitragen können. Es gilt aber auch alle anderen Disziplinen einzubinden, um beispielsweise die multiplen Herausforderungen für das Gesundheitswesen, für die privaten Haushalte, oder auch für die Unternehmen und die Gesellschaft allgemein zu erfassen und ganzheitliche Lösungen zu diskutieren.“
Christoph Neuberger, Freie Universität Berlin und Weizenbaum-Institut
„Wenn man historisch auf den digitalen Journalismus schaut, dann sieht man, dass in Krisen immer Entwicklungen angestoßen wurden. Wenn man beispielsweise auf die Berichterstattung zu den Anschlägen am 11. September schaut, dann kann man beobachten, dass (auch wenn schon teilweise viel Berichterstattung über das Internet erfolgte) es schwierig war, überhaupt die Datenflut zu bewältigen (und Server zusammengebrochen sind), oder es zum Beispiel gar keine technische Umsetzung gab über digitale Liveticker die Inhalte stetig zu aktualisieren. Das alles waren Entwicklungen, die dadurch erst angestoßen wurden.“
Christoph Neuberger, Freie Universität Berlin und Weizenbaum-Institut
Christoph Neuberger ist seit Oktober 2019 Professor für „Publizistik- und Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Digitalisierung und Partizipation“ an der Freien Universität Berlin sowie geschäftsführender Direktor des Weizenbaum-Instituts für die vernetzte Gesellschaft (Berlin).
Er war von 2002 bis 2011 Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Münster und an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er ist Mitglied von acatech, hat mitgewirkt und wirkt mit in den Arbeitsgruppen der Akademien zum Thema Digitalisierung & Wissenschaftskommunikation.
Arbeitsschwerpunkt von Christoph Neuberger ist der digitale Wandel von Medien, Öffentlichkeit und Journalismus.
Veröffentlicht am 8. April 2020
Dauer: 8:46 Minuten
Weitere Statements von Christoph Neuberger
„Diese Situation, in der sehr viele Unklarheiten und Unsicherheiten bestehen, ist eigentlich die Sternstunde der Wissenschaft und des Journalismus. Was benötigt wird sind Informationen, die den Menschen helfen, schnell einen Überblick zu gewinnen, sich zu orientieren und zu wissen, wie sie unmittelbar handeln können. Der Journalismus und die Wissenschaft sind dabei immer noch die historischen Autoritäten, die Wissen sammeln, bewerten und verbreiten können – und sie gewinnen dabei vielleicht sogar an Glaubwürdigkeit und Ansehen, die ihnen in der generellen Krise des Journalismus teilweise verloren gegangen sind.“
„Bei den sozialen Medien gibt es auch zwei Seiten. Einmal die Tendenzen, dass seit einigen Jahren von Akteuren gezielt versucht wird Meinungen zu beeinflussen und mit Falschinformationen zu manipulieren. Die andere Funktion der sozialen Medien wird nun gerade in der Corona-Krise offensichtlich. Also der Austausch und die Pflege sozialer Beziehungen, die durch Videochats und die Kommunikation über die Portale möglich sind, die es den Menschen ermöglichen in Kontakt zu bleiben. Beides hängt damit zusammen, dass die sozialen Medien im direkten Umfeld der Menschen wirken und somit einen großen Einfluss auf unsere Einstellungen und Meinungen haben.“
Henriette Löwisch, Deutsche Journalistenschule
„Die momentane Krise zeigt, wie ähnlich sich die Arbeitsweisen von Wissenschaftlern und Journalisten doch an vielen Stellen sind. Beide sind einer Wahrhaftigkeit verpflichtet und haben Methoden und Verfahren entwickelt, um Quellen zu prüfen und eine möglichst genaue Wiedergabe des Beobachteten abzusichern. Hier arbeiten Wissenschaftler und Journalisten sehr gut zusammen, um wissenschaftliche Erkenntnisse bestmöglich zu kommunizieren. Dennoch unterscheidet sich die journalistische Einordnung insbesondere nochmal dadurch, dass sie zusätzlich versucht, diese Erkenntnisse im Verhältnis zu Politik und zur Gesellschaft zu analysieren und zu bewerten.“
Henriette Löwisch, Deutsche Journalistenschule
Henriette Löwisch ist Leiterin und Geschäftsführerin der Deutschen Journalistenschule und hat selbst die DJS absolviert.
Danach arbeitete sie als Nachrichtenredakteurin, Auslandskorrespondentin und Chefredakteurin beim deutschen Dienst einer internationalen Nachrichtenagentur. Sie war Journalistikprofessorin in den USA, bevor sie 2017 die Leitung der DJS übernahm.
Veröffentlicht am 8. April 2020
Dauer: 8:09 Minuten
Weitere Statements von Henriette Löwisch
„An praktischen Beispielen lernen auszubildende Journalisten am besten, mit möglichen zukünftigen Konflikten umzugehen, beispielsweise mit Konflikten zwischen Zeitdruck und Korrektheit, oder zwischen Komplexität und Vereinfachung.“
„Für Journalisten mit naturwissenschaftlichem Hintergrund beispielsweise in Medizin stellt sich da jetzt gerade ein Vorteil heraus. Für diejenigen, die das nicht haben, ist es dann immer wichtig sich selbst in der Einordnung nicht zu überschätzen und genau zuzuhören, damit sie das möglichst akkurat und korrekt weitergeben können.“