Tausend Elfmeter: acatech und Philipp Lahm-Stiftung richten Workshop zu Mobilität im Fußball aus

München, 3. August 2023
Der Fußball, Deutschlands populärste Sportart, bringt Menschen zusammen: Die rund 25 000 Fußballvereine sind Orte der Begegnung und der sportlichen Betätigung. Die Anreise zu diesen Orten erfolgt gerade auf dem Land zumeist mit dem Auto. Das wurde auch bei einem Workshop mit der Frauenmannschaft des SV 67 Weinberg deutlich, den acatech zusammen mit der Philipp Lahm-Stiftung am 1. August durchgeführt hat. Das Ziel der Veranstaltung: Die Mobilitätsherausforderungen im Vereinsfußball besser verstehen, Verbesserungspotenziale identifizieren und Ideen für zukünftige Projekte mitnehmen.
Weinberg in Mittelfranken: Nicht ganz 1000 Einwohner, Kirche, Grundschule – und ein Fußball-Bundesliga-Team. In der Saison 2022/23 ist die Frauenmannschaft des SV 67 Weinberg in die 2. Bundesliga aufgestiegen und misst sich dort ab Mitte August mit Fußball-Schwergewichten wie dem Hamburger SV oder Borussia Mönchengladbach. Für den kleinen Verein nicht nur sportlich eine Herausforderung: Um zu den Auswärtsspielorten zu gelangen, müssen teilweise hunderte Kilometer zurückgelegt werden. Darüber hinaus wohnt keine der talentierten Fußballerinnen in Weinberg selbst – zu den vier Trainingseinheiten in der Woche müssen viele von ihnen weit mit dem Auto anreisen. In finanzieller, zeitlicher und ökologischer Hinsicht eine enorme Belastung.
Weil diese Herausforderungen nicht nur den SV Weinberg betreffen, sondern eine Vielzahl weiterer ländlich gelegener Vereine im leistungsorientierten deutschen Fußball, hat acatech das Thema zusammen mit der Philipp Lahm-Stiftung in einem Kooperationsprojekt aufgegriffen: Im Rahmen eines Workshops am 1. August sollten die Fußballerinnen des SV Weinberg eigene Mobilitätsgewohnheiten reflektieren und sich in einem anschließenden Kreativprozess auf die Suche nach neuen Ideen zur Verbesserung der Situation begeben.
Fachlichen Input, wie sich Mobilität weniger zeitaufwendig, geldbeutel- und umweltschonender gestalten lässt, bekamen sie dabei von Barbara Lenz, ehemalige Leiterin des Instituts für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und acatech Mitglied sowie von Yulika Zebuhr und Wolfgang Blumthaler vom Themenschwerpunkt „Zukunft der Mobilität“ der acatech Geschäftsstelle. In ihren Impulsen brachten die acatech Mobilitätsexperten und -expertinnen beispielsweise die Möglichkeit ins Spiel, im Ort vorhandene, aber nur zeitweise genutzte Mobilitätsressourcen (z.B. Schulbus) anzufragen. „Auch das Sponsoring einer Ladesäule durch eine lokal ansässige Firma oder eine Kilometer-Reduktions-Prämie können Lösungen sein“, ergänzte Verkehrsforscherin Barbara Lenz.
Angeregt durch diese Ideen starteten die Spielerinnen anschließend in den kreativen Teil des Workshops. In Gruppenarbeiten setzten sie sich mit den Szenarien „Auswärtsfahrt“ und „Training“ auseinander. Die entwickelten Verbesserungsideen und Lösungsansätze wurden anschließend von Moderator Julian Van der Linden zusammengetragen – die Spielerinnen bat er nun darum, die Ideen anhand der Kategorien „Machbarkeit“ und „Originalität“ zu bewerten. Die aus Sicht der Beteiligten viel versprechendsten Ansätze:
- Vernetzung mit anderen Vereinen: Der Austausch mit anderen Vereinen soll angeregt werden. Vereine mit erschwerten Mobilitätsbedingungen könnten miteinander in den Austausch treten, um gemeinsam Lösungsansätze für ihre Herausforderungen zu finden, oder hilfreiche Kooperationen anzustoßen.
- Kostenersparnis: Weniger gefahrene Kilometer durch eine Kilometer-Reduktions-Pauschale, z.B. finanziert durch regionale und überregionale Sponsoren. Durch Kooperationen und gemeinsame Nutzung von Mobilitätsressourcen sollen finanzielle Belastungen der Vereinsmitglieder reduziert werden, die durch die Indivudalmobilität entstehen.
- Reduktion des CO2-Ausstoßes: Installation von E-Ladestationen an der Spielstätte für nachhaltigere Mobilität. Einige Spielerinnen würden alternativ gerne mit dem Elektrofahrzeug fahren, bräuchten aber eine entsprechende Ladeinfrastruktur.
- Praktikabilität: Eine Fußballmannschaft hat in ihrem Alltag einiges zu transportieren – deshalb ist das Mittel der Mobilität ein ausreichend großes Fahrzeug. Ein adäquat ausgestatteter Mannschaftsbus (z.B. WLAN, ausreichend große Sitze), damit es bei langen Auswärtsfahrten möglich ist, die Zeit sinnvoller zu nutzen (z.B. mobiles Arbeiten, Spielanalysen).
Barbara Lenz zu Mobilität im ländlichen Raum
acatech wird die Ergebnisse des Workshops im Projekt „Integrierte Stadtentwicklung und Mobilitätsplanung“ (ISM) weiterverwerten und zudem mit der Philipp Lahm-Stiftung, die mit treffpunkt fußball bereits eine Plattform für die Vernetzung von Vereinen initiiert hat, zu einem möglichen Folgeprojekt im Austausch bleiben.