Mobilitätsmonitor 2024: Bevölkerung bewertet Infrastruktur und Elektromobilität kritisch
München/ Allensbach, 29. April 2024
Die Deutschen halten Anstrengungen im Klimaschutz weiterhin für wichtig. Die Einschätzung, dass Maßnahmen im Energie- und Mobilitätssektor einen Beitrag zur Verringerung der Klimabelastung leisten können, teilen heute aber weniger Menschen als noch in den Vorjahren. Das zeigt der Mobilitätsmonitor 2024, eine repräsentative Allensbach-Umfrage im Auftrag von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften. Die Elektromobilität kämpft laut Studie nach wie vor mit Vorbehalten: Nur 17 Prozent der Befragten ziehen in Erwägung, sich ein E-Auto anzuschaffen – ein neuer Tiefstwert.
Im Energie- und Mobilitätssektor gibt es aus Sicht der deutschen Bevölkerung viele Ansatzpunkte, um den Klimaschutz zu verbessern. Das zeigt der heute erschienene Mobilitätsmonitor 2024. Für fast zwei Drittel der Befragten (62 Prozent) ist der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs eine wichtige Stellschraube, um die Klimabelastung zu reduzieren. 60 Prozent setzen auf die Maßnahme, den Güterverkehr verstärkt auf Schienen- und Wasserwege umzuleiten. In der Reduktion der Nutzung fossiler Brennstoffe sieht jeder bzw. jede zweite Befragte (51 Prozent) einen wichtigen Hebel für den Klimaschutz – sechs Prozent weniger als noch bei der ersten Mobilitätsmonitor-Erhebung im Jahr 2020.
Alle Materialien (Grafiken, Pressemitteilung, Ergebnisse in der Übersicht) zur Studie finden sich auf unserer Sonderseite zum Mobilitätsmonitor.
Veränderungen im Zeitverlauf sind auch bei anderen Themen zu beobachten: Dass die Umstellung der Stromversorgung auf erneuerbare Energien einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz leistet, glauben heute nur noch 44 Prozent der Bürgerinnen und Bürger – 2020 waren es noch 56 Prozent, beim letzten Mobilitätsmonitor im Jahr 2022 zwischenzeitlich sogar 63 Prozent.
Die Ergebnisse des Mobilitätsmonitors 2024 zeigen, wie sich Krisen und gesellschaftliche Debatten auf das Denken und Handeln der Menschen auswirken. 2022, nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs und der folgenden Energieknappheit, setzte die Bevölkerung nicht nur verstärkt auf regenerative Energien, sondern auch auf die Kernenergie. Unter dem Eindruck von Inflation und wirtschaftlichen Problemen ist dann Klimaschutz und auch speziell die Förderung regenerativer Energien in der Agenda der Bürger teilweise zurückgestuft worden. Was das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung angeht, zeigt der Mobilitätsmonitor jedoch eine bemerkenswerte Stabilität, die von der Pandemie nur kurzfristig außer Kraft gesetzt wurde.
Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach und acatech Senatorin.
Nach wie vor ist das Auto das wichtigste Verkehrsmittel: 76 Prozent der Autofahrenden nutzen es mehrmals in der Woche oder täglich – genauso wie im Jahr 2020. Entsprechend können mehr als drei Viertel von ihnen (78 Prozent) nicht auf das Auto verzichten. Fahrrad und Öffentlicher Nahverkehr (ÖN) sind dagegen nur für 55 bzw. 41 Prozent unverzichtbar; ähnlich schnitten diese Mobilitätsoptionen bereits bei der letzten Erhebung im Jahr 2022 ab (51 bzw. 42 Prozent).
Stadt-Land-Vergleich verdeutlicht: Die Bedürfnisse der Menschen unterscheiden sich – und müssen stärker berücksichtigt werden
Große Unterschiede bei der Bewertung der Infrastruktur zeigt ein Vergleich zwischen Stadt und Land. Unterschiedliche Rahmenbedingungen sind hierfür die Ursache. So wird in Dörfern das Angebot an Lebensmittelmärkten oder Hausärzten in der direkten Umgebung um durchschnittlich zehn Prozentpunkte schlechter eingeschätzt als in Städten; das Angebot an Restaurants, Bars und Cafés um fast 20 Prozentpunkte schlechter. Während 84 Prozent der Großstadtbewohnenden das ÖN-Angebot als gut oder sehr gut einschätzen, liegt dieser Anteil bei Befragten, die in Dörfern leben, bei nur 32 Prozent.
Je nach Wohnort stehen andere Themen auf der Mobilitätsagenda: 69 Prozent der Dorfbewohnenden wünschen sich, dass der ÖN häufiger fährt, wohingegen nicht mal die Hälfte (44 Prozent) der Menschen, die in Groß-, Mittel- oder Kleinstädten leben, diesen Wunsch äußert. In Städten steht dagegen das Fahrrad mehr im Fokus: Ein Drittel (34 Prozent) der dort lebenden Menschen wünscht sich mehr Radwege, in Dörfern sind es nur 23 Prozent.
Insgesamt betrachtet die Bevölkerung eine Stärkung und Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur als wichtige Aufgabe. Dabei wird vor allem das Schienennetz aktuell kritisch wahrgenommen: 65 Prozent sehen es in einem sehr schlechten oder schlechten Zustand – ein Anteil, der sich seit 2015 verdoppelt hat, wie ein Vergleich mit früheren Allensbach-Erhebungen zeigt. Autobahnen werden dagegen deutlich positiver bewertet: für nur 28 Prozent sind diese in einem sehr schlechten oder schlechten Zustand. Schwächer schneidet das lokale Straßennetz ab: hier sehen 41 Prozent einen sehr schlechten oder schlechten Zustand.
Die schlechte Bewertung der Verkehrsinfrastruktur, insbesondere der Bahninfrastruktur, macht den Modernisierungsbedarf in diesem Bereich deutlich. Hier sind in den nächsten Jahrzehnten umfassende Maßnahmen und Investitionen notwendig, um die Funktionalität sicherzustellen. Zudem müssen wir in der Stadt- und Quartiersentwicklung die Bedürfnisse der Bewohnenden stärker berücksichtigen – ein Thema, dem wir uns in den nächsten Jahren im acatech Projekt ‚Bauen & Wohnen‘ stärker widmen werden.
Jan Wörner, acatech Präsident
Elektromobilität: Informationsdefizite und sinkende Bereitschaft zur Anschaffung eines E-Autos
Auch die Elektromobilität kann einen Beitrag zur Mobilitätswende leisten. Nach wie vor aber sind die Deutschen skeptisch: Nur noch 17 Prozent der Befragten ziehen aktuell die Anschaffung eines E-Autos in Erwägung. Bei der ersten Ausgabe der Studie im Jahr 2020 lag dieser Anteil noch bei 24 Prozent. Stabil sind dabei auch die Vorbehalte gegenüber der E-Mobilität: Wie schon 2022 halten 60 Prozent der Befragten die Reichweite von E-Autos für zu gering; ein gleich hoher Prozentsatz stellt damals wie heute in Frage, ob Elektroautos wirklich umweltfreundlicher sind.
Bei ihren Urteilen zur E-Mobilität verlassen sich rund zwei Drittel der Befragten (64 Prozent) auf Informationen, die sie von Freunden oder Kolleginnen und Kollegen haben. 55 Prozent setzen auf die Informationsquelle Fernsehen, 42 Prozent auf das Internet und 35 Prozent beziehen ihr Wissen aus Zeitungen und Zeitschriften. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung haben sich Personen, die den Kauf eines Elektroautos in Betracht ziehen, wesentlich umfassender informiert: 58 Prozent beziehen ihr Wissen unter anderem aus dem Internet, 43 Prozent aus Zeitungen und Zeitschriften. Ihr Urteil über die aktuelle Verfügbarkeit von Ladestationen und die Dauer des Ladevorgangs fällt signifikant positiver aus.
Der Mobilitätsmonitor 2024 zeigt deutlich, dass viele Menschen in Deutschland beim Thema E-Mobilität noch weitere Informationen benötigen. Fast die Hälfte der Befragten traute sich bei der Frage nach der geschätzten Ladezeit eines E-Autos keine Angabe zu. Auch Fortschritte bei der Ladeinfrastruktur und Reichweite werden von der Bevölkerung scheinbar nicht wahrgenommen. Wir brauchen hier dringend weitere gemeinsame Anstrengungen, um den Menschen das Wissen für eine fundierte Meinungsbildung zur Verfügung zu stellen.
Thomas Weber, acatech Präsident
Den Befund, dass es fast der Hälfte der Befragten (48 Prozent) weniger oder gar nicht wichtig ist, ob ihr E-Auto von einem deutschen Hersteller kommt, bewertet Thomas Weber so: „Die Bevölkerung ist vor allem bei der Elektromobilität sehr preissensibel und spricht auch internationalen Autobauern aktuell eine gute Qualität zu. Dies zeigt nachdrücklich den Handlungsbedarf im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit auf, insbesondere für die deutsche Industrie und alle weiteren an der Transformation beteiligten Akteure am Standort Deutschland.“
Über den Mobilitätsmonitor
Die regelmäßige Untersuchung stützt sich in diesem Jahr auf 1027 Face-to-Face-Interviews mit einem repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung ab 16 Jahren. Die Interviews wurden zwischen dem 1. und dem 14. März 2024 durchgeführt. Der acatech Mobilitätsmonitor erscheint jährlich seit 2020, eine Vorgängerversion der Studie wurde bereits 2019 veröffentlicht.