Driving the Human – sieben Prototypen für ökosoziale Erneuerung
7 Prototypen
Wie gehen Wissenschaft und Kunst zusammen? Kann die Fusion von neuen Technologien und Kunst nachhaltige Wege in eine lebenswerte Zukunft weisen? Was können Perspektiven anderer Lebewesen dazu beitragen? Über eine Zeit von drei Jahren entwickelten junge Talente an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft Prototypen, die sich kreativ mit diesen Fragen auseinandersetzen. Die Ergebnisse konnten zwischen dem 25. Und 27. November auf dem Driving the Human Abschluss-Festival „Seven Prototypes for Eco-Social Renewal“ in Berlin bestaunt werden. Das Festival begrüßte mehr als 2.400 Besucher:innen, die ein vielfältiges Programm mit Vorträgen, Workshops, Führungen, Aufführungen und einem Konzertabend erlebten. Einen Einblick gibt dieser Artikel.
Mit Blick auf das neue Jahr bereitet Driving the Human derzeit die finalen Schritte vor. Wichtige Meilensteine sind die Präsentation der sieben Prototypen im Rahmen der kommenden Ausstellung Renaissance 3.0 (25. März – 8. Oktober 2023) im ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe sowie die Veröffentlichung der Publikation Driving the Human im Mousse Verlag im Frühjahr 2023.
21 Visionen
So viele Konzepte wurden auf dem Driving the Human Festival „21 Visions for Eco-Social Renewal“ in Berlin im Oktober 2021 ausgestellt. Sie wurden in der zweiten von drei Phasen des Projekts von einer multidisziplinären Fachjury aus mehr als 1000 Bewerbungen ausgewählt. Vor Ort haben wir mit acatech Mitglied Prof. Dr. Vera Meyer über ihre Arbeit als Wissenschaftlerin und Künstlerin gesprochen. Sie hat uns erklärt, warum diese beiden Disziplinen sich so gut ergänzen.
Auf den Open Call des Projekts gingen vom 10. Februar bis zum 9. April 2021 mehr als 1000 Projektskizzen von Künstler:innen, Initiativen und Büros ein. Zum Start des Driving the Human Open Call diskutierten Prof. Dr. Martina Schraudner, ehemaliges Vorstandsmitglied acatech, und Freo Majer, Gründer von Forecast, wie Wissenschaft und die Künste voneinander lernen können, warum Driving the Human nicht nur ein Kunstprojekt ist, sondern sich auch die wissenschaftliche Community angesprochen fühlen darf, und sprechen über die Rolle von acatech.
Die Antworten auf die zentralen Fragen helfen uns dabei, das gesellschaftliche Zusammenleben der Zukunft vorauszudenken und den durch technologische Innovation ausgelösten gesellschaftlichen Wandel aktiv im Sinne des Gemeinwohls zu gestalten. Damit dies gelingt, muss der Mensch im Mittelpunkt der Diskussion stehen: seine prägenden Gewohnheiten, Bedürfnisse, Befindlichkeiten und auch Schwächen sowie das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft.
Foto: Vera Christoph
Wir brauchen neue Wege, um gesellschaftliche und technologische Innovationen zu verbinden und so Zukunftsvisionen neu zu denken. Genau das schafft Driving the Human, eine Plattform für die gemeinsame Ideenfindung und Realisierung dieser Visionen. Ich bin gespannt auf die Möglichkeiten, die sich aus der Verflechtung unserer Erkenntnisse ergeben werden.
Prof. Dr. Martina Schraudner ehemaliges Mitglied des Vorstands von acatech
Inhalt
Unter der gemeinsamen Leitung von vier Partnerinstitutionen – acatech, der Mentoring-Plattform Forecast, der HfG Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe und dem ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe – produzierte Driving the Human sieben konkrete Prototypen für ein nachhaltiges Zusammenleben, die auf komplexe zeitgenössische, oft als bedrohlich wahrgenommene transformative Herausforderungen wie beispielsweise den Klimawandel reagieren.
Die Gemeinschaft von Teilnehmenden, dem Expertise- und Wissensnetzwerk der Partner und dem größeren Publikum, die Driving the Human zusammenbringt, wird dazu verschiedene Phänomene untersuchen, wie beispielsweise die sozialen Auswirkungen der globalen Erwärmung, die Energiekreisläufe und technologiegetriebenen Disruptionen, die Auswirkungen kollektiver Entscheidungsfindungen sowie aktuelle Prozesse im Austausch von Werten und Objekten. Dabei verknüpft die Initiative wissenschaftliche Vorgehensweisen mit solchen aus den Künsten und nutzt dies als tiefgehend transdisziplinären Ansatz für eine wirkungsvolle Kommunikation. Zugleich entwickelt Driving the Human Handlungsstrategien in Form von konkreten physischen Erfahrungen, die starke individuelle und kollektive Auswirkungen haben können.
Letztlich werden mit den sieben zu entwickelnden Prototypen Werkzeuge entstehen, die neue Wege der Wahrnehmung und der Bewohnung der Welt entstehen lassen und mit deren Hilfe die Entwicklung möglicher Lösungsszenarien für die Herausforderungen gestaltet werden kann. Diese können unterschiedliche Formen annehmen, wie zum Beispiel begehbare Rauminstallationen, Designobjekte, architektonische Mock-ups, interaktive Spiele, Videoarbeiten und Performances. Sie werden im Verlauf ihrer Entwicklung der Öffentlichkeit präsentiert, in unterschiedlichen Kontexten zur Diskussion gestellt und von ExpertInnen auf ihre Tauglichkeit befragt: Die sieben physisch erlebbaren Prototypen sollen Handlungsmöglichkeiten vermitteln und das Individuum dazu motivieren, sich mit diesen zu identifizieren und gewonnene Erkenntnisse auf das eigene Tun zu übertragen.
Zeitplan
2020
Virtuelles Opening Festival – vom 20. bis 22. November diskutierten Wissenschaftler:innen, Künstler:innen, Designer:innen und andere multidisziplinär arbeitende Teilnehmer:innen aktuelle Themen, die derzeit unsere Existenz definieren. Als Katalysator für experimentelles Arbeiten wurden auf dem Festival Fragen formuliert und Themenfelder definiert, die die nächste Phase von Driving the Human einleiten.
2021
Im Rahmen eines Open Call haben die federführenden Organisationen vom 10. Februar bis zum 9. April 2021 Kreative, Initiativen und Büros dazu aufgerufen, Projektskizzen einzureichen. Dabei standen sie in engem Austausch mit den Partnerinstitutionen und deren Netzwerk, das den Entwicklungsprozess mit relevanter Expertise und Technologie anreicherte. Unter allen Einreichungen hat eine hochkarätige, multidisziplinäre Fachjury 21 Konzepte für die Endrunde ausgewählt.
Die Projektskizzen wurden vom 15. bis 17.Oktober 2021 beim Festival „21 Visions for Eco-social Renewal“ in Berlin präsentiert. Auf dem Programm der Veranstaltung, die von Forecast als interaktives Erlebnis konzipiert und organisiert wurde, standen Führungen, Gespräche mit den Künstlerinnen und Künstlern, Diskussionsrunden und Performances. Auf Vimeo lässt sich das dreitägige Festival noch einmal erleben.
Im November wählte die Jury die sieben Künstler:innen-Teams mit den vielversprechendsten Prototypen aus, die 2022 in die Tat umgesetzt wurden. Sie trafen sich vom 10. bis zum 11. Dezember in einem von acatech ausgerichteten virtuellen Workshop, um ihre Pläne gemeinsam mit Wissenschaftler:innen zu konkretisieren. Die Veranstaltung unterstützte die Projektautor:innen durch Mentoring-Sessions dabei, einen Fahrplan für die Strukturierung ihrer Arbeit und Forschung im nächsten Jahr zu entwickeln.
Driving the Human: 7 Approaches to Eco-social Renewal
Do AIs Dream of Climate Chaos
Do AIs Dream of Climate Chaos
Wie könnte eine Zukunft aussehen, in der Menschen, Ökosysteme und Maschinen in Harmonie miteinander leben? In Form einer bildschirmbasierten Installation verarbeitet ein KI-Agent das aktuelle Umweltchaos und ermöglicht somit den Zuschauern das Ausmaß und die Komplexität der Klimakrise durch die Augen einer Maschine zu verstehen.
Human-Bacteria Interfaces
Human-Bacteria Interfaces
Wie können die Beziehungen zwischen Menschen und Nichtmenschen veranschaulicht werden? Der Prototyp des Projektes verwendet eine symbiotische Kultur von Bakterien und Hefe, die auf Reize aus der Umgebung mit einem fluoreszierenden Leuchten reagieren soll. Dies ermöglicht eine sichtbare Reaktion und Interaktion zwischen Menschen und Mikroben, letztendlich zwischen Menschen und Nichtmenschen.
Monsters and Ghosts of the Far North: Towards An Inclusive Cartography
Monsters and Ghosts of the Far North: Towards An Inclusive Cartography
Wie können die Dynamik und umstrittene Geopolitik der Arktis erfasst und visualisiert werden? Mithilfe einer Spiel-Engine, die Daten und Erzählungen verwendet, bauen die Künstlerinnen eine alternative Kartographie, in der die SpielerInnen Lebewesen aus der Arktis repräsentieren und somit einen einzigartigen Perspektivenwechsel erleben.
Sedekah Benih
Sedekah Benih
Wie kann traditionelles Wissen erlernt, entwickelt und geteilt werden, um das aktuelle Problem des Klimawandels zu lösen? Übersetzt bedeutet das Projekt “Opfergabe von Samen” und es zielt darauf ab traditionelles Wissen über Ökologie in der Gesellschaft zu dokumentieren und mittels Kunst von Generation zu Generation weiterzugeben.
The Backpack of Wings: Modern Mythology
The Backpack of Wings: Modern Mythology
Tiere, die ein fast mysteriöses Gespür für Naturkatastrophen besitzen auf der einen Seite und modernste wissenschaftliche Bio-Geo-Tracking-Technologien auf der anderen Seite- Was entsteht, wenn man Mythologie mit Technologie verbindet? In diesem Spannungsfeld möchte die Künstlerin die Rolle von Tieren und ihre Instrumentalisierung in der menschlichen Gesellschaft thematisieren.
TRONS ‘R’ US
TRONS ‘R’ US
Was treibt unseren technologischen Fortschritt an? Was treibt uns dazu immer mehr neue elektronische Geräte besitzen zu wollen und dabei Alte zu verwerfen? In dieser Arbeit wird die Beziehung Mensch – Technologie – Umwelt durch das Umgestalten von entsorgten elektronischen Geräten in sogenannte “TRONS” erforscht.
Virtual Sanctuary for Fertilizing Mourning
Virtual Sanctuary for Fertilizing Mourning
Das Projekt repräsentiert einen virtuellen Gedenkraum, der an den Tod indigener Führer in Peru erinnern soll, die in ihrem Kampf gegen Abholzung und Bergbau in den letzten Jahren ermordet wurden.
2022
Die leitenden Kurator:innen begleiten gemeinsam mit einem internationalen Netzwerk unterstützender Institutionen, Unternehmen und jeweils hinzugezogener Expert:innen die Ausarbeitung und Produktion der sieben Prototypen.
Am 30.04.2022 brachten Visionärinnen und Visionäre auf einer Podiumsdiskussion neue Perspektiven aus Wissenschaft und Kunst zusammen. Auf dem Podium sprachen Prof. Dr. Vera Meyer und Prof. Dr. Stefan Böschen mit den sieben Projektteams von Driving the Human darüber, wie Kunst und Wissenschaft in ihren Projekten ineinandergreifen und wie Synergieeffekte auch in anderen Kontexten umgesetzt werden können.
Beim abschließenden Festival vom 25.-27. November 2022 in Berlin – durchgeführt von Forecast – präsentierte Driving the Human die sieben ausgeformten Ergebnisse der Öffentlichkeit.
2023 Ab März 2023 werden die sieben Prototypen unter anderem im Rahmen der kommenden Ausstellung Renaissance 3.0 (25. März – 8. Oktober 2023) im ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe ausgestellt. Es folgt die Veröffentlichung der Publikation Driving the Human im Mousse Verlag im Frühjahr 2023.