Technik – ein ausufernder Begriff

München, 2. März 2023
Was meinen wir, wenn wir von „Technik“ sprechen? Mit dieser Frage beschäftigte sich Technikhistoriker und acatech Mitglied Ulrich Wengenroth am 28. Februar bei acatech am Dienstag. Die Ausgabe des Online-Formats fand diesmal wieder in Kooperation mit „vhs.wissen live“ statt; rund 200 Interessierte hatten sich zugeschaltet. acatech Präsident Jan Wörner spannte in seiner Begrüßung das Feld auf und ging dabei auf die gesellschaftliche Wahrnehmung von Technik ein. Diese schwanke zwischen Technophobie und Technikverehrung.
Zum Vortrag (Audio) von Ulrich Wengenroth:
Podcast: „Was ist Technik? – Vom kreativen Ausufern eines Begriffs“
Dauer: 1 Stunde 7 Minuten und 2 Sekunden
acatech Mitglied Ulrich Wengenroth, der bis 2014 als Ordinarius für Geschichte der Technik an der TU München wirkte, betonte, dass sich der Begriff „Technik“ aktuell auf ganz unterschiedliche Sachverhalte und Themen beziehe: von der Verformungstechnik über die Finanzierungstechnik bis hin zur Technik des Klavierspiels.
Immer wieder sei versucht worden, der Ausuferung des Begriffs „Technik“ Einhalt zu gebieten. Doch egal, ob Duden, Wikipedia oder VDI-Richtlinie 3780: Alle seien sie an dieser Aufgabe gescheitert, sagte Ulrich Wengenroth. Beispielsweise gehe die populäre Definition von Technik als Angewandter Naturwissenschaft seit Jahrtausenden in die falsche Richtung: Metallurgie, Bierbrauen, Textilfärben, Bauen – all das habe ohne naturwissenschaftliche Fundierung stattgefunden.
Ulrich Wengenroth betonte auch, dass eine Definition von Technik durch eine Unterteilung unserer Welt in Technik und Nichttechnik kaum sinnvoll oder möglich sei. Die Menschen seien umgeben von einer Technosphäre: Schon Haareschneiden oder Kleidungtragen machten sie zum technisierten Wesen. Unsere Hände hätten sich ohne den Gebrauch von Technik im Laufe der Evolution völlig anders entwickelt, so Ulrich Wengenroth.
Deshalb erscheint es ihm aussichtsreicher, zu fragen, was man unter „Technik“ alles fassen könne, statt nach der „richtigen“ Definition. Man dürfe der Technik ihre Offenheit nicht nehmen.
Technik sei schlussendlich eine kreative Beherrschungsstrategie, resümierte Ulrich Wengenroth. Sie funktioniere recht gut bei unbelebter Natur, was sich in der überbordenden Möblierung unserer Welt mit Artefakten zeige. Sie funktioniere ähnlich gut bei der Bereitstellung von Nahrung und Schutz für eine – im Vergleich zu technikarmen Zeiten – auf das Millionenfache angewachsene Weltbevölkerung. Jedoch wenn sie in die falschen Hände gerate, könne Technik eben auch großen Schaden anrichten – egal, ob sie ursprünglich vielleicht aus guten Motiven heraus entwickelt wurde.
Weiterführende Informationen:
Die Frage „Was ist Technik?“ wurde im Rahmen der Kooperation von „acatech am Dienstag“ mit „vhs.wissen live“ bereits mehrfach beantwortet: