Mobilität neu denken
Hintergrund und Ziele
Eine zentrale Herausforderung ländlicher Räume liegt darin, die Mobilität ihrer Einwohnerinnen und Einwohner sicherzustellen und neu zu denken. Geringe Bevölkerungsdichten und ländliche Strukturen erfordern ganzheitliche Lösungen, für die der öffentliche und private Verkehr zusammen betrachtet werden müssen.
Das Pilotprojekt zielt darauf ab, gemeinsam mit der Öffentlichkeit ein zukunftsorientiertes Mobilitätskonzept für die Region Bayerischer Wald zu entwerfen. Das Konzept soll die verantwortlichen Aufgabenträger, Mobilitätsanbieter und Verkehrsunternehmen dabei unterstützen, zukunfts- und bedarfsorientiert attraktive Formen der Mobilität anbieten zu können.
Dies geschieht mit Hilfe eines ko-kreativen Prozesses, der iterativ gesellschaftliche Bedarfe und Ideen sowie technologische Möglichkeiten zusammenbringt. Während des Projekts werden Bürgerinnen und Bürger in verschiedenen Dialogformaten die Möglichkeit haben, selbst an der Zukunft der Mobilität ihrer Region mitzuwirken. Die dabei identifizierten Bedarfe, Ziele und Anforderungen werden in Workshops kontinuierlich mit Expertinnen und Experten auf ihre Machbarkeit hin überprüft und weiterentwickelt. Dabei integriert das Projekt bestehende Angebote, baut auf Studien zur Mobilität in der Region auf und vernetzt Verwaltung, Unternehmen, Forschung und gesellschaftliche Organisationen.
Das Pilotprojekt „Mobilität neu denken“ wird vom Center for Responsible Research and Innovation des Fraunhofer IAO koordiniert und gemeinsam von den Landkreisen Freyung-Grafenau, Passau, Regen, der Stadt Passau, dem Fraunhofer IML und acatech durchgeführt.
Projektergebnisse
Die Bedarfe an die Mobilität der Zukunft in der Region Bayerischer Wald wurden mit Hilfe eines Online-Dialogs ermittelt, an dem sich insgesamt 64 Bürgerinnen und Bürger mit 176 Kommentaren und 134 Bewertungen beteiligten. Zusätzlich wurden 15 qualitative Telefoninterviews mit Stakeholdern aus der Region geführt. Zusammenführend wurden daraus folgende Bedarfe erhoben:
In einem ausführlichen Technologiescouting wurden anhand der ermittelten Bedarfe Mobilitätslösungen identifiziert, die in anderen Regionen zum Teil bereits bestehen. Aus diesen sind 20 potentielle Mobilitätsbausteine für die zukünftige Mobilität im Bayerischen Wald abgeleitet worden, die im Zuge eines Workshops für die Bürgerinnen und Bürger als Karten visualisiert wurden.
Im Rahmen dieses virtuellen Workshops überprüften und hinterfragten 22 Bürgerinnen und Bürger die potentiellen Mobilitätslösungen auf ihre Alltagstauglichkeit im Bayerischen Wald.
Im nächsten Prozessabschnitt entwickelten Stakeholder aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft in zwei Workshops konkrete Lösungsideen für die Mobilität im Bayerischen Wald, die die Bedarfe der Bürgerinnen und Bürger in den identifizierten Handlungsfeldern adressieren. In zwei Workshoptagen entstanden auf diesem Wege insgesamt acht Lösungen für die Mobilität im Bayerischen Wald.
Aus den Ergebnissen der empirischen Erhebung, weiterer Interviews mit Expertinnen und Experten und der Analyse von Studien, wurde ein Modell zur Gestaltung der öffentlichen Mobilität im ländlichen Raum erarbeitet. Das Modell umfasst die folgenden vier Handlungsfelder: „Kunden umfassend informieren“, „Wegeketten neu gestalten“, „Verkehrsangebote sektoren- und landkreisübergreifend koordinieren“, sowie „Infrastruktur zukunftsfähig ausbauen“. Innerhalb dieser vier Handlungsfelder wurden neun spezifische Lösungsansätze herausgearbeitet, die an relevante Strukturpunkte sowie Angebote in der Projektregion anknüpfen und die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger bestmöglich adressieren. Die finalen neun Lösungsansätze sind: „Vor-Ort-Information“, „Auskunft und Vernetzung“, „Ausbau des ÖPNV-Angebots“, „Rad- und Fußverkehr“, „Alternative Mobilitätsformen“, „Verbundgedanke“, „Mobilitätsmanagement“, „Fahrzeugausstattung“ und „Haltestellengestaltung“.
Das Modell ist ein zentrales Ergebnis des Projektes, das als Grundlage für die Erstellung von Mobilitätskonzepten dient und auf andere Regionen übertragbar ist. Als Analyse- und Gestaltungsraster zur Erarbeitung konkreter Mobilitätskonzepte sind die Handlungsfelder und Lösungsansätze übertragbar auf andere Regionen. Die Handlungsfelder ermöglichen es, die Stärken und Defizite einer Region in den jeweiligen Bereichen zu erfassen. Die Lösungsansätze unterstützen die zuständigen Aufgabenträger, Mobilitätsanbieter und Verkehrsunternehmen dabei, bedarfsorientierte und attraktive Mobilitätsangebote anzubieten. Zu diesem Zweck bietet das Modell Ansatzpunkte zur Entwicklung konkreter Maßnahmen und zur Weiterentwicklung bestehender Strukturen. Die konkrete Ausgestaltung eines darauf aufbauenden Mobilitätskonzepts sollte in jeder Region bedarfsorientiert erfolgen.
Das Projekt konnte zeigen, wie der Einbezug von Bürgerinnen und Bürgern und regionalen Mobilitätsexpertinnen und -experten für die Entwicklung regionaler Mobilitätslösungen erfolgen kann. Eine Übertragung dieses Prozesses auf andere Regionen ist möglich.
Detaillierte Informationen zu den einzelnen Prozessabschnitten, den angewandten Methoden und den Projektergebnissen sind dem ausführlichen Ergebnisbericht des Fraunhofer IAO zu entnehmen.
Die Abschlussveranstaltung erfolgte im Rahmen des virtuellen acatech Stakeholder-Dialogs „Corona – Bremser oder Beschleuniger für eine neue ländliche Mobilität“ am 28. Juli 2021.
Weiterführende Informationen
acatech HORIZONTE: Tranformation der Mobilität
Nationale Plattform Zukunft der Mobilität
acatech STUDIE „Mobilität und Klimaschutz. Gesellschaftliches Problembewusstsein und individuelle Veränderungsspielräume“
Projekt „Neue autoMobilität II – Kooperativer Straßenverkehr und intelligente Verkehrssteuerung für die Mobilität der Zukunft“