Bayern denkt Zukunft – die co-kreative Neuerfindung des ländlichen Wohnraums
Der Bedarf und die Bereitschaft, Wohnen neu zu denken sind sowohl in der Stadt als auch auf dem Land vorhanden, wie die Studie „Bayern denkt Zukunft: Stadt.Land.Chancen – Ergebnisse der Umfrage in Bayern“ zeigt:
- 81,3% aller Befragten wären für andere Wohnformen offen, wie beispielsweise Wohngemeinschaften oder Mehrgenerationenhäuser.
- 68,7% der Befragten aus ländlichen Gebieten hoffen, dass sich durch flexiblere Wohnformen ihre Wohnsituation verbessern wird.
- 80,5% aller Befragten hoffen auf platzsparende Wohnformen, um den Flächenfraß zu bremsen.
- 76,1% der befragten Stadtbewohnenden haben Angst, sich in Zukunft ihre aktuelle Wohnsituation nicht mehr leisten zu können – im Vergleich zu immerhin noch 70,7% der Befragten aus ländlichen Gebieten.
Neue Wohnformen sind in der Stadt schon längst angekommen. In ländlichen Gebieten sieht es noch anders aus, hier dominiert das Einfamilienhaus das Baugeschehen, mit Konsequenzen nicht nur für das Ortsbild. Mittreiber der Fertighauswüsten am Ortsrand ist auch der Trend zur Stadtflucht, der viele Neubürger:innen in die Kommunen bringt, die Grundstückspreise in die Höhe treibt und das Gemeinschaftsgefüge verändert.
Was aber, wenn ländliche Gemeinden die Studienergebnisse und den Trend zur Stadtflucht als Chance begreifen und gezielt für sich nutzen würden, um ländlichen Wohnraum und die Art des Zusammenlebens neu zu denken? Dieser Frage ging ein zweiteiliger Co-Creation Workshop „Stadt, Land Flucht: Die Neuerfindung des ländlichen Wohnraums“ von Bayern denkt Zukunft in Zusammenarbeit mit der M:UniverCity, dem Innovationsnetzwerk der Hochschule München mit Akteuren aus einem oberbayerischen Landkreis nach, der zunehmend den Siedlungsdruck aus München zu spüren bekommt.
Begegnungsräume für Alt- und Neubürger:innen
Der erste Workshop ging der Frage nach, welche Chancen sich aus dem Trend der Stadtflucht sowie den Studienergebnissen für ländliche Gebiete ableiten lassen und wie die Bevölkerung sowie die Kommunen diese gezielt für neue Wohn- und Baukonzepte nutzen lassen, um lokale Herausforderungen zu adressieren und die regionale Entwicklung voranzutreiben. Aus den Diskussionsergebnissen, was für die Landbewohner:innen wichtig ist, um sich auf eine Stadt-Land Wohngemeinschaft einzulassen, formulierten die Teilnehmenden die wichtigsten Anforderungen an moderne ländliche Wohnkonzepte:
- Der Ortskern muss auch bei Neubauvorhaben am Ortsrand berücksichtigt werden
- Der Ortskern soll Begegnungsraum bleiben/werden
- Neue Wohnkonzepte sollen Alt- und Neubürger zusammenbringen
Auf dem Weg zur Umsetzung fehlt nach Ansicht der Teilnehmenden vor allem eines: Bürger:innen wie kommunale Entscheider:innen gezielt über die Chancen neuer Wohnkonzepte zu informieren – am Besten an konkreten Umsetzungsbeispielen. Sie bieten zum Beispiel eine Alternative zu Einfamilienhauswüsten mit entsprechendem Flächenfraß. Bedarfsgerechte Wohnangebote können den Wegzug von jungen Menschen verhindern oder bieten Senior:innen Alternativen zum großen Einfamilienhaus. Mit neuen Konzepten lassen sich auch Leerstand vermeiden und die Gemeinschaft fördern.
Erste Schritte auf dem Weg zu neuen Wohnformen für ländliche Gebiete
Die Ergebnisse des ersten Workshops bestimmten die Schwerpunkte für den zweiten Workshop: Wie lassen sich zum einen Begegnungsräume und zum anderen bezahlbaren Wohnraum schaffen? Trotz der thematischen Unterschiede ließen die Ideen und Impulse einige gemeinsame Ansatzpunkte erkennen:
- Verbündete unter Bürger:innen und Amtsträger:innen in der Gemeinde suchen, aber auch im Landkreis, in der Region.
- Den eignen regulatorischen Gestaltungsspielraum als Gemeinde bzw. Landkreis voll ausreizen und Anreize setzen.
- Zeigen, was möglich ist: innovative Umsetzungsbeispiele besuchen und zum Austausch einladen.
- Fokus auf das Problemlösungspotenzial von gemeinschaftlichem Bauen und Wohnen, das in seiner Formenvielfalt viele Herausforderungen adressieren kann.
- Förderprogramme nutzen.
- Professionelle Unterstützung bei Innovationsprojekten erhöht die Erfolgschancen.
Der Co-Creation Workshop hat gezeigt: Neue Wohnformen haben es aktuell noch schwer in ländlichen Gebieten. Es ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, um das Potenzial für die Gemeinschaft auszuschöpfen. Unterstützung und Inspiration finden Vordenker:innen und Pionier:innen in einem starken Netzwerk, das es aufzubauen gilt.
Weiterführende Informationen:
- Der Leitfaden Gemeinschaftliche Wohnformen für alle Lebenslagen enthält Beispielprojekte für Alternativen zu Einfamilienhausgebieten in Dörfern und einen praktischen Leitfaden, wie sie sich partizipativ umsetzen lassen.
- Die Mitbauzentrale München berät nicht nur Münchner:innen und die Münchner Umlandgemeinden zu den verschiedenen Varianten gemeinschaftlicher Wohnformen.
- Die MARO Genossenschaft steht interessierten Gemeinden und Bürger:innen bei Fragen zu genossenschaftlichem Bauen und Wohnen im ländlichen Raum zur Seite
- Das Förderprojekt „Alter Hof sucht neue Liebe“ der Allgäu GmbH bietet viele Beispiele neuer Wohn- und Nutzungsformen für Leerstände.
- Zwei Pilotdörfer sammeln Erfahrungen mit dem KoDorf-Konzept als Gegenmodell zur Fertighaus-Siedlung am Ortsrand.